Man ist, was man isst. Welche Ernährung sorgt für ein längeres Leben? Das Geheimnis findet man in den «Blauen Zonen». In diesen fünf Regionen der Welt pflegen die Bewohner ähnliche Essgewohnheiten – und leben auffällig lange.

Die durchschnittliche Lebenszeit eines Menschen, so zeigen diverse Studien, wird nur zu 20 bis 30 Prozent durch die Gene bestimmt. Zu 70 bis 80 Prozent entscheidet jedoch unser Lebensstil, wie alt wir werden. Aber welche Lebensweise ist besonders gesund und verlängert allenfalls sogar unser Leben? Das wollte der amerikanische Autor und Forscher Dan Buettner wissen. Er identifizierte die sogenannten Blauen Zonen, fünf Regionen auf der Welt, in denen die Menschen auffällig lange leben. Neben Sardinien (Italien), Okinawa (Japan) und Loma Linda (Kalifornien, USA) sind das die Halbinsel Nicoya (Costa Rica) sowie die Insel Ikaria (Griechenland). Die Menschen in diesen Regionen bekommen seltener Herzinfarkte, leiden weniger häufig an Demenz und sind bis ins hohe Alter fit.

Hot Spots der Langlebigkeit

Buettner suchte nach Gemeinsamkeiten dieser Hot Spots der Langlebigkeit – und fand heraus, dass deren Bewohner alle einen ähnlichen Lebensstil pflegen: Sie rauchen nicht, sie gehen viel zu Fuss, sie sind nicht gestresst. Sie schlafen viel. Sie verstehen sich gut und haben ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl. Vor allem aber: Sie haben ähnliche Essgewohnheiten. Konkret: Sie essen viel pflanzliche Nahrungsmittel und gering verarbeitete Lebensmittel. National-Geographic-Autor Buettner: «Ihre Ernährung basiert auf Bohnen, Gemüse, Getreide und Nüssen. Sie bereiten diese Grundzutaten schmackhaft zu und wissen sie für ihre Gesundheit optimal zu nutzen».

Hara, Hatchi, Bu

Die langlebigste weibliche Bevölkerung der Welt findet sich auf der Inselgruppe Okinawa. Japaner ernähren sich pflanzenbasiert, mit viel buntem Gemüse und achtmal mehr Tofu als etwa die Amerikaner. Entscheidend ist laut Buettner aber nicht nur, was die Japaner essen, sondern auch, wie sie es tun. «Wir haben beobachtet, dass sie von eher kleineren Tellern essen und dass sie die Mahlzeit in der Küche auf Tellern anrichten und dann zum Tisch tragen. Das verhindert, dass man gedankenlos nachschöpft, während man miteinander spricht», sagt Buettner.

Die wichtigste Grundregel aber, und einer der wichtigsten Ernährungstipps überhaupt, gehe auf ein 3000 Jahre altes Sprichwort von Konfuzius zurück, es heisst «Hara, Hatchi, Bu» – ein kleiner Spruch, der die Leute daran erinnern soll, mit dem Essen aufzuhören, wenn sie zu 80 Prozent satt sind. «Für die Menschen in den Blauen Zonen ist Langlebigkeit kein Willensakt, sondern die Folge eines Lebensstils, bei dem die gesunde Wahl unvermeidlich ist», sagt Buettner.

Zehn Ernährungsregeln

Dan Buettner hat aufgrund der Erkenntnisse aus den Blauen Zonen zehn Ernährungsrichtlinien für ein gesünderes, längeres Leben definiert:

1. Pflanzenbasierte Kost
90 bis 95 Prozent des täglichen Ernährungsplanes sollten aus Gemüse, Obst, Getreide (ca. 120 g gekochtes Getreide pro Tag), Hülsenfrüchten und grünem Blattgemüse bestehen. Zum Würzen eignen sich Kräuter oder Olivenöl.

2. Wenig Fleisch
Fleisch sollte nur zu besonderen Gelegenheiten, in kleinen Portionen und lediglich vier bis fünf Mal pro Monat auf dem Teller liegen. Verarbeitetes Fleisch und Wurstwaren sollten vermieden werden.

3. Eine kleine Menge Fisch
In den Blauen Zonen wird zwar viel Fisch gegessen, aber wegen der Verschmutzung der Ozeane ist Fisch nicht automatisch gesund. Empfehlenswert sind zwei bis drei Mal pro Woche Süsswasserfische oder wildgefangener Lachs und Sardinen.

4. Wenig Milchprodukte
Kleine Portionen von Ziegen- oder Schafskäse oder Produkte aus Bio-Kuhmilch können Teil der Ernährung sein. Mehr als drei Eier pro Woche sollten es nicht sein.

5. Hülsenfrüchte einmal täglich
Linsen, Bohnen oder Tofu enthalten hochwertiges Protein und Ballaststoffe und sollten einmal täglich gegessen werden. Bei Produkten in Dosen sollte man auf möglichst wenig Zusatzstoffe achten.

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In den Hot Spots der Langlebigkeit haben die Menschen dieselben Essgewohnheiten: Ihre Ernährung basiert auf Bohnen, Gemüse, Getreide und Nüssen.

6. Sehr wenig Zucker
Mehr als sieben Teelöffel Zucker am Tag (28 Gramm) sind nicht empfehlenswert, das meint auch die Weltgesundheitsorganisation WHO. Kuchen, Kekse und andere Süssigkeiten sind nur für besondere Gelegenheiten. Zum Süssen eignen sich Honig oder Ahornsirup.

7. Eine Handvoll Nüsse
Nüsse, Samen und Kerne sind wertvolle Energielieferanten. Täglich eine Handvoll Mandeln, Pistazien, Walnüsse, Haselnüsse, Pecannüsse, Sonnenblumen- oder Kürbiskerne sorgen für Abwechslung.

8. Besser Sauerteigbrot
Brot aus Vollkorn oder Sauerteig aus lebendigen Kulturen sind Weissbroten vorzuziehen. Zwei Scheiben Brot pro Tag sind ausreichend, es sollte von einem Bäcker kommen, der nach traditionellen Methoden und mit langer Teigführung bäckt. Dieses Brot ist frei von Zusatzstoffen und leichter verdaulich.

9. Mehr Natur
Nahrungsmittel sollten möglichst vollwertig und naturbelassen sein. Verarbeitete Lebensmittel sollten weniger als fünf Zutaten enthalten. Industriell hergestelltes Essen sollte vermieden werden. 

10. Wasser, Wasser, Wasser
Fünf bis acht Gläser Wasser am Tag, ungesüsste Kräuter- oder Gewürztees und ab und zu ein Kaffee sind empfehlenswert, Softdrinks (mit und ohne Zucker) sind es nicht.

An chemische Langlebigkeitslösungen glaubt Dan Buettner nicht, weder an Nahrungszusätze oder Vitaminpillen noch an Diäten. Auch nicht an die sogenannten Superfoods, die en vogue sind. Es gebe keine Abkürzung zur gesunden Ernährung. Diese brauche Zeit, die richtigen Zutaten und gute Rezepte: Vom Humus aus weissen Bohnen bis zu Artischocken mit Pesto (in Englisch).

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Die Blue-Zone-Diät: Humus aus weissen Bohnen mit Olivenöl.

 (Bild: Bluezones.com)

Angekommen in Spitzengastronomie

Das Ernährungsprinzip «Gemüse, Meeresfrüchte, Getreide» findet zunehmend auch in der Spitzengastronomie Beachtung. Konsequent befolgt dies etwa der Franzose Alain Ducasse, einer der erfolgreichsten Köche der Welt, in seinem Drei-Sterne-Restaurant «Plaza Athenée» in Paris. Als Ducasse vor drei Jahren ankündigte, Geflügel, Rind oder Kalb von der Karte zu streichen, reagierten manche Feinschmecker irritiert. Mittlerweile hat sich die neue Küchenphilosophie aber etabliert, selbst die strengen Kritiker des «Guide Michelin» sind beeindruckt von dem «höchsten Respekt vor der Natur», der Gerichten wie Grüne Linsen mit Kaviar oder Steinbutt mit Coco-Bohnen, Pfifferlingen und frischen Walnüssen zu Grunde liegt.

Zwei Glas Wein

Aber man muss gar nicht in die Spitzenküche schauen, um zu erkennen, dass eine gute Ernährung keinesfalls lustfeindlich sein muss. In den meisten Blauen Zonen gehört etwa der massvolle Genuss von Alkohol zum Diätplan. Täglich ein, zwei Gläser Wein in guter Gesellschaft mit vertrauenswürdigen Freunden ist Teil eines erfüllten, langen Lebens. 

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Dan Buettner: «The Blue Zones: Lessons for Living Longer from the People Who've Lived the Longest» (National Geographic).

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