Die Alterung der Gesellschaft stellt die europäischen Vorsorgesysteme vor grosse Fragen. Finnland, Schweden und Dänemark haben Antworten darauf gefunden. Eine der wichtigsten: Das Modell des starren Pensionsalters ist überholt.

Das Problem ist bekannt: Die Altersvorsorgesysteme – öffentliche wie private – sind unter Druck wie noch nie. Die Gründe dafür sind die stark gestiegene Lebenserwartung, die gesunkene Geburtenrate sowie die niedrigen Anlagerenditen. Als Folge müssen immer weniger Arbeitstätige die Leistungen für immer mehr Rentner aufbringen. Und: Das Vorsorgekapital bringt wegen der historisch tiefen Zinsen weniger Rendite und muss zugleich länger ausreichen.

Die Lösungen, um die Vorsorgesysteme wieder fit zu machen, sind eigentlich auch bekannt. Ob OECD, World Economic Forum oder der renommierte Global Pension Index – sie alle merken immer die gleichen drei Punkte an: 

  • Das Rentenalter erhöhen und flexibilisieren.
  • Ältere Arbeitnehmer länger arbeiten lassen und generell besser in den Arbeitsmarkt integrieren.
  • Die Leute dazu bringen, mehr privat vorzusorgen, damit sie im Alter selbstbestimmter und unabhängiger leben können.

Drei skandinavische Länder haben diese Vorschläge in unterschiedlichen Ausprägungen bereits umgesetzt: Dänemark, Schweden und Finnland.

Dänemark: an Lebenserwartung geknüpft

Im Global Pension Index gilt das dänische Modell als Vorbild. Dänemark hat sein Rentensystem vor etwas mehr als zehn Jahren gründlich reformiert: Das gesetzliche Rentenalter wird bis ins Jahr 2022 von 65 auf 67 Jahre erhöht und vor allem ab 2024 fix an die Lebenserwartung geknüpft. Die Entwicklung ist nach oben offen. Im Durchschnitt soll das Rentnerleben nur 14,5 Jahre dauern und gleichzeitig sollen die Arbeitnehmer mit punktuellen Steuererleichterungen und neuen Sparmöglichkeiten motiviert werden, so lange wie möglich auf dem Arbeitsmarkt zu bleiben.

Das dänische Altersvorsorgemodell ist das beste der Welt – wegen der Flexibilität, die es bietet.
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Auch Michael Hansen hält das dänische Modell für eines der besten der Welt. «Wegen der Flexibilität, die es bietet», sagt der CEO Swiss Life Network (Teil von Global Employee Benefits) bei Swiss Life Global Solutions, die in 70 Ländern Personalvorsorgelösungen und Vermögensplanung anbieten und darum einen guten Überblick über die diversen Modelle haben. Was ihm besonders gefällt: «Die Dänen können bis zu 100 Prozent ihres Gehalts in ihre eigene betriebliche oder private Altersvorsorge einzahlen und kriegen dafür einen Steuerabzug.» Für Hansen ist das dänische Modell am nächsten an der Lebensrealität der Menschen.

Finnland: Anreize für Altersarbeit

Früher einzahlen, flexibler und länger arbeiten. So könnte man die finnischen Reformen zusammenfassen. Auch Finnland hat sein Vorsorgesystem an die Lebenserwartung angepasst. Das beitragspflichtige Alter in der lohnabhängigen Vorsorge wurde 2017 von 18 auf 17 Jahre gesenkt. Künftig wird das Rentenalter flexibilisiert und der Lebenserwartung angepasst, die beim Alter von 62 Jahren errechnet wird.

Um ältere Arbeitnehmer im Markt zu halten, hat Finnland zum einen Teilrenten eingeführt. Man kann heute ab 61 Jahren (später ab einem aufgrund der Lebenserwartung festgelegten Alter) 25 Prozent oder 50 Prozent der Rente beziehen und reduziert weiterarbeiten. Zum anderen kriegt grosszügige Zuschläge, wer die Altersleistungen aufschiebt.

Eine Untersuchung des Finnish Centre for Pensions hat ergeben, dass solche Teilzeitrentner tatsächlich im Durchschnitt anderthalb Jahre länger arbeiten als Vollangestellte. 

Schweden: automatischer Ausgleich

Schweden schliesslich hat sein Rentensystem 1999 vollständig umgestaltet. Das Land hat automatische Ausgleichsmechanismen eingeführt, die Veränderungen des wirtschaftlichen Umfelds (etwa sinkende Kapitalerträge) und des demografischen Umfelds (längere Lebenserwartung) berücksichtigen. Die Höhe der Rente ist nicht mehr fix. Wenn sich die wirtschaftliche oder demografische Situation verschlechtert, können die Renten gekürzt werden. Verbessert sich die wirtschaftliche Lage, können sie steigen. 2010 und 2011 zum Beispiel führte dieser Mechanismus tatsächlich zu Rentenkürzungen. Seit der Reform 1999 hat sich das durchschnittliche Renteneintrittsalter in Schweden deutlich erhöht und auch die Erwerbsbeteiligung älterer Menschen ist gestiegen, schreibt die Konrad-Adenauer-Stiftung.

Die Gemeinsamkeit der drei Länder: Sie machten das Rentenniveau von der Lebenserwartung abhängig, flexibilisierten das Rentenalter und schufen Anreize für die Arbeit im Alter. Mit diesen Reformen, so lautet der Konsens der Experten, haben sie es weitgehend geschafft, ihre Vorsorgesysteme der Alterung der Gesellschaft anzupassen. 

Arbeitgeber in der Pflicht

Staatliche Reformen allein dürften indes nicht genügen, um die schwierige Situation der Sozialversicherungen nachhaltig zu entspannen. Auch die Arbeitgeber seien in der Pflicht und müssten neue Wege einschlagen, sagt Michael Hansen: «In vielen Ländern gibt es eine Tendenz, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer einfach darauf warten, dass die Politik Reformen bei der Altersvorsorge vorschlägt und umsetzt.» Für eine aktivere Rolle der Unternehmen spricht sich auch Theodoros Iaponas, Head Global Employee Benefits bei Swiss Life Global Solutions, aus: Er halte es vor allem für nötig, die Vorsorgepläne zu flexibilisieren und an die individuellen Lebensphasen anzupassen: «Die Vorsorgebedürfnisse eines alleinstehenden Millennials unterscheiden sich von denen eines Mitarbeiters kurz vor der Pensionierung oder von denen eines Mitarbeiters mit Familie und Kindern.» 

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Das Rentenalter sollte vom Arbeitnehmer selbstbestimmt gewählt werden können.

Wichtig ist auch für Iaponas, dass ältere Arbeitnehmer länger im Erwerbsprozess bleiben können, falls sie dies wollen. Um Arbeitgebern zu ermöglichen, über das Rentenalter hinaus zu arbeiten, könnten diese zum Beispiel vermehrt sogenannte Phase-out-Modelle anbieten: Wer dies möchte, könnte mit einem solchen Modell sein Arbeitspensum schrittweise abbauen, also zum Beispiel mit 62 Jahren nur noch 60 Prozent, dafür mit 68 noch 40 Prozent arbeiten. «Das Rentenalter», sagt Iaponas, «sollte vom Arbeitnehmer selbstbestimmt gewählt werden können.»

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