Warum ist Sparen so schwierig? Und warum sorgen wir zu wenig fürs Alter vor? Der weltberühmte Verhaltensökonom Dan Ariely kennt die Antworten – und verrät, wie man unter anderem mit einem Selfie besser sparen kann.

Wieso ist Sparen für uns Menschen so schwierig?
Es sind vor allem zwei Aspekte, die uns das Sparen so schwierig machen. Erstens geht es um «jetzt gegen später»: Wenn wir etwas möchten, zum Beispiel ein Fahrrad, dann möchten wir es jetzt gleich haben. Zweitens geht es um «konkret gegen abstrakt»: Das Fahrrad ist konkret, es steht vor Ihnen, Sparen dagegen ist etwas Abstraktes, etwas Unsichtbares. Der Mensch ist nicht gut darin, langfristig und abstrakt zu denken. Wir unterschätzen den Wert der Zukunft massiv. Wir handeln irrational – in vorhersehbarer Weise.

Gibt es Tricks, wie wir unsere Irrationalität bändigen können?
Die gibt es. Jedes Mal, wenn wir uns entscheiden müssen, weniger zu essen, weniger am Smartphone zu hängen oder mehr im Fitnesscenter zu trainieren, ist das Risiko gross, dass wir scheitern. Nicht immer natürlich, aber doch ziemlich oft. Die gute Nachricht: Wir können, vor allem wenn es um Geld geht, auch Entscheidungen treffen, die lange anhalten. Zum Beispiel können wir unserer Bank den Auftrag geben, jedes Mal, wenn unser Lohn auf dem Girokonto eintrifft, umgehend 10 bis 15 Prozent auf unser Sparkonto zu überweisen. Automatische Abzüge ­– das ist ein sehr nützlicher Trick.

Viele Menschen verdienen gerade einmal genug, um über die Runden zu kommen. Was raten Sie ihnen?
Wir machten Experimente in Kenia mit Menschen, die nur etwa 10 Dollar pro Woche zur Verfügung hatten. Und wissen Sie was: Sie waren imstande zu sparen. Sie legten natürlich nicht Geld für die Altersvorsorge zur Seite, sondern für Notfälle. Ich rede jetzt nicht über die Ärmsten dieser Welt, aber die meisten von uns, besonders in der westlichen Welt, können sparen, wenn sie wirklich wollen.

Gehen Sie Ihre Bankauszüge durch und stellen Sie sich bei jeder Ausgabe diese Frage: Hat Sie das glücklich gemacht?

Zu automatischen Banküberweisungen haben Sie uns schon geraten. Ein weiterer praktischer Tipp?
Wir alle können unsere Ausgaben etwas reduzieren und weniger auf Kredit leben. Fragen Sie sich, worauf Sie verzichten können. Gehen Sie Ihre Bankauszüge durch und stellen Sie sich bei jeder Ausgabe diese Frage: Hat Sie das glücklich gemacht? Wenn die Antwort nein lautet, dann geben Sie künftig kein Geld mehr dafür aus. Es soll im Leben schliesslich darum gehen, Geld so auszugeben, dass es so glücklich wie möglich macht – heute und in Zukunft.

Wenn Sie dazu raten, weniger auf Kredit zu leben: Wäre es eine gute Idee, die Kreditkarte wegzuwerfen?
Ich bin ein Fan von Prepaid-Debit-Karten. Sie haben die Vorteile von Kreditkarten – wir müssen kein Bargeld mit uns herumtragen – aber sie geben uns nicht das Gefühl, dass wir unendlich viel Geld zur Verfügung haben – und sie helfen uns, uns einzuschränken. Machen Sie ein Budget für spezielle Ausgaben – ein Konzert zum Beispiel oder ein ausgedehntes Nachtessen mit Freunden – und laden Sie dann jeden Montag den Betrag auf eine Debit-Karte. So sehen Sie jeden Tag, wie viel Sie pro Woche noch zur Verfügung haben. 

Wer sich selber als alte Person vorstellt, entwickelt ein grösseres Einfühlungsvermögen für sein altes Ich – und spart dann mehr.

Wie bringt man die Leute dazu, für die Zeit nach der Pensionierung zu sparen?
Es gibt einen hilfreichen Trick: Machen Sie ein Foto von sich und lassen sie sich mit einer App altern. Wer sich selber als alte Person vorstellt, entwickelt ein grösseres Einfühlungsvermögen für sein altes Ich, fühlt sich stärker verbunden – und spart dann tatsächlich mehr. Eine extremere Form davon wäre, wenn wir solche Fotos als Bildschirmschoner installieren würden. Ich glaube, die Leute würden dann wirklich viel sparen. Und keine Angst: Auf Selfies sehen immer alle schlecht aus. Ich habe ein solches Bild von mir gemacht, ich schicke es Ihnen.

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Dan Ariely heute – und als alter Mann. (Anmerkung: Als er 18 Jahre alt war, erlitt er bei einem Unfall schwerste Verbrennungen und ist seitdem am ganzen Körper vernarbt.)

Was können Arbeitgeber tun, um ihre Angestellten zu motivieren, mehr an die Altersvorsorge zu denken?
Finanzielle Anreize wirken natürlich, wenn etwa der Arbeitgeber die Sparbeiträge der Angestellten zum Beispiel verdoppelt. Es hilft aber auch schon, den Angestellten zu zeigen, wie andere sparen. Was in den USA auch funktionierte, ist das sogenannte «Save more for tomorrow»-Programm: Arbeitgeber wirken darauf hin, dass Angestellte sich von Anfang an verpflichten, einen steigenden Prozentsatz für die Rente zurückzulegen, wenn sie eine Lohnerhöhung erhalten. Zudem haben wir herausgefunden, dass Leute generell mehr fürs Alter sparen, wenn sie mit ihrem Mann oder ihrer Frau darüber reden. Reden Sie also mehr mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin darüber, wie viel Sie sparen wollen.

Ich kann den Millennials nachfühlen. Ihnen bleiben viele Möglichkeiten verschlossen, die meine Generation noch hatte.

Oft heisst es, dass Millennials schlecht im Umgang mit Geld seien. Mythos oder Realität?
Ein absoluter Mythos! Ich kann den Millennials nachfühlen. Ihre Chance, bei den heutigen Preisen in grösseren Städten ein Haus zu kaufen ist leider sehr klein. Stellen Sie sich vor: In meiner Generation heirateten die Leute mit 25 Jahren und bekamen eine Hypothek. Millennials leben in einer anderen wirtschaftlichen Welt, ihnen bleiben viele Möglichkeiten verschlossen, die meine Generation noch hatte. Wenn wir noch die Immobilienpreise der 1980er-Jahre hätten und jedem Millennial eine Hypothek gäben: Sie würden sich anders verhalten als heute.

Hand aufs Herz: Bei wie vielen Entscheidungen verhalten Sie sich persönlich irrational?
Bei vielen. Aber wir müssen drei Arten von Entscheidungen unterscheiden. Kleine, grosse und gewohnheitsmässige Entscheidungen. Kleine Entscheidungen treffen wir zum Beispiel im Restaurant, wenn der Mann mit dem Dessertwagen vorbeikommt. Wir alle greifen oft zu, obwohl wir es eigentlich gar nicht wollen – und ich bin keinen Deut besser darin. Das ist nicht so schlimm. Was zählt, sind die grossen Entscheidungen. Hier müssen wir uns Zeit nehmen und sie gut überdenken, besonders grosse finanzielle Entscheidungen wie einen Hauskauf. Und auch Gewohnheiten sind wichtig. Das sind zwar kleine Einzelentscheidungen, aber zusammen machen sie viel aus. Gewohnheiten sind eine Chance, uns zu verbessern. Fragen Sie sich: Welche Art von Gewohnheit gibt Ihnen Lebenszufriedenheit und Befriedigung und welche steht Ihnen immer im Weg?

Buch
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Dan Ariely, 50, lehrt an der amerikanischen Duke University Verhaltensökonomie und Psychologie. Seine Bücher sind Bestseller und seine TED-Vorträge werden von Millionen von Menschen angeschaut. Er hat den Ruf eines kreativen und unkonventionellen Wissenschaftlers, der auch schon mit Lego-Figuren das menschliche Streben nach Sinn untersuchte. Vor kurzem ist sein neustes Buch erschienen, das er zusammen mit dem Juristen und Comedian Jeff Kreisler geschrieben hat: «Dollars and Sense: How we Misthink Money and How to Spend Smarter».

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