Alt, arm und allein? Im Gegenteil. Eine Studie zeigt die positiven Auswirkungen von alternden Gesellschaften. Sogar die Umwelt könnte vom demografischen Wandel profitieren.

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Die Risiken sind bekannt: Serbelnde Rentensysteme, steigende Gesundheitskosten, sinkendes Wirtschaftswachstum – die Überalterung in den Industrieländern stellt uns vor immense Herausforderungen. Doch ist die Situation wirklich nur düster? Oder wirkt sich das «Ergrauen» der Bevölkerung allenfalls auch positiv auf unser Leben aus?
Dieser Frage ging ein Forscherteam des Max-Planck-Instituts, des Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse (IIASA) und der Washington University nach.
In ihrer Studie «The Advantages of Demographic Change after the Wave: Fewer and Older, but Healthier, Greener, and More Productive?» widmeten sie sich den Chancen und Potenzialen des demografischen Wandels am Beispiel von Deutschland. Im zweitältesten Land der Welt mit einer Geburtenrate von 1,4 Kindern und einem Altersmedian von 46,2 Jahren wird sich der Anteil der über 65-Jährigen in den kommenden zwei Jahrzehnten von heute 21 auf 33 Prozent erhöhen.

Die Studie untersuchte die gesellschaftlichen Auswirkungen bis ins Jahr 2050 und kommt zu einem überraschenden Resultat. Unter Berücksichtigung aller demografischen Faktoren - so der optimistische Befund - ergäben sich durch eine ältere Gesellschaft auch fünf mögliche Vorteile:

1 Wir werden ökologischer…

…weil ältere Menschen weniger konsumieren und sesshafter sind als jüngere Menschen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass eine ältere und kleinere Bevölkerung erheblich weniger CO2 ausschütten wird, was einen positiven Effekt auf die Klimaerwärmung hätte. Behalten die Senioren ihr heutiges Konsumverhalten bei, könnten die Emissionen in den nächsten drei Jahrzehnten sogar auf das Niveau vor den 1950er Jahren sinken.

2 Wir werden gesünder...

…weil sich nicht nur die Lebenserwartung erhöht, sondern auch die Anzahl der Jahre, in denen wir gesund leben. Gemäss Studie wird ein Deutscher 2050 im Durchschnitt rund 80 Prozent seines Lebens in gutem Gesundheitszustand verbringen, heute sind es nur 63 Prozent. Dadurch können künftig auch wesentlich mehr Menschen ein langes und selbstbestimmtes Leben führen.

3 Wir werden produktiver...

…weil immer mehr Menschen mit einem höheren Bildungsabschluss altern. 2008 verfügten in Deutschland rund 20 Prozent der über 50-Jährigen über einen höheren Bildungsabschluss, nach 2050 werden es gemäss Studie 34 Prozent sein. Besser gebildet, länger gesund und dazu mehr Frauen im Arbeitsprozess: so könnten auch die durch den Rückgang der Arbeitskräfte verursachten Produktivitätsverluste kompensiert werden.

4 Wir haben eine höhere Lebensqualität...

…weil sich das Verhältnis von Arbeit, Freizeit und Hausarbeit in Zukunft zugunsten der Freizeit verschiebt. Indem der Zeitanteil der Arbeit bis Mitte Jahrhundert von 14,5 auf 11,9 Prozent sinkt, bleibe uns laut Studie mehr Zeit für Musse. Aber auch mehr Zeit für die Kinder und Enkel, was die Generationenbeziehungen positiv beeinflussen könnte.

5 Wir verfügen über mehr Geld...

…weil das Vermögen künftig auf weniger Kinder verteilt wird. Davon profitieren grundsätzlich die jüngeren Generationen, die aber gleichzeitig tendenziell weniger verdienen dürften. Die Erben können mit dem Geld ihre Rente aufbessern oder wiederum ihren Kindern finanziell unter die Arme greifen.

Die Zukunft ist nicht hell, aber auch nicht so dunkel wie manchmal beschrieben. Wir haben die Möglichkeiten, einiges zu ändern.

Wie gross die Auswirkungen des demografischen Wandels sein werden, kann heute niemand abschliessend sagen. Dessen ist sich auch das Forscherteam bewusst. «Aber wir sollten damit beginnen, das Potenzial und die notwendigen Anpassungen in unserer Gesellschaft zu diskutieren», sagt Fanny Kluge, Co-Autorin und Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut in Rostock. «Die Zukunft ist nicht hell, aber auch nicht so dunkel wie manchmal beschrieben. Wir haben die Möglichkeiten, einiges zu ändern.»

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