Die Kontrolle der eigenen Finanzen könnte erheblich einfacher werden, wenn in Europa die automatische Beratung Einzug hält.

Junge Leute, die nicht viel Geld haben, können neue Technologien als Hilfsmittel für den Einstieg ins Sparen und Anlegen nutzen.

Technologie spielt beim Umgang mit Geld schon jetzt eine grosse Rolle. Ihre Bedeutung wird demnächst noch zunehmen. Der Onlinezugriff auf Bankkonten und Ersparnisse ist heutzutage normal1,  doch der Finanztechnologie-Sektor geht nun noch einen Schritt weiter. Die computergenerierte Finanzberatung, auch Robo-Beratung genannt, hält Einzug. Wir sprechen mit Ralf Heim, Mitgründer der deutschen Fintech-Firma Fincite, die 2014 lanciert wurde. Sein Unternehmen ist ein Softwarepionier in der Robo-Beratung. Wir wollen von ihm wissen, wie Menschen die Technologie nutzen, um die Kontrolle über ihre Finanzen zu übernehmen.

Wie kann Technologie Menschen beim Umgang mit ihrem Geld unterstützen? 
Heute können Menschen dank Algorithmen in Sekunden sehen, was mit ihrem Geld geschieht, und ausprobieren, was unter verschiedenen Szenarien damit passieren würde.  Um diese Algorithmen zu entwickeln, arbeiten wir mit Privat- und Retailbanken sowie Vermögensverwaltern und Lebensversicherern zusammen. Unser Ziel ist es, Software zu entwickeln, die in der Lage ist, Bargeldkonten und Portfolios zu analysieren, neue Portfolios aufzubauen, alte und neue Portfolios zu vergleichen und Risikoprognosen abzugeben.

Was bedeutet eine automatisierte Beratung für die Regulierung?
Die Regulierung der Robo-Beratung ist ein Riesenthema. Viele Anbieter operieren derzeit in einer Grauzone, weil nicht klar ist, ob sie Beratung oder Anleitung bieten. Rechtlich ist es für sie einfacher, keine Beratung zu bieten. Wenn der Kunde alle Transaktionen selbst vornimmt, muss der Anbieter klarstellen, dass er den Kunden entscheiden lässt. Findet eine Beratung statt, muss alles dokumentiert werden, und der Kunde bestätigt mit seiner Unterschrift auf einem Formular, dass er alle Warnungen zur Kenntnis genommen hat und nach seiner Risikotragfähigkeit gefragt wurde. In Deutschland gibt es in diesem Bereich der Onlineberatung nicht viele Anbieter.

Heute können Menschen dank Algorithmen in Sekunden sehen, was mit ihrem Geld geschieht, und ausprobieren, was unter verschiedenen Szenarien damit passieren würde.

Werden menschliche Finanzberater irgendwann durch Computer ersetzt?
Ich gehe davon aus, dass wir immer öfter sehen werden, dass junge Leute ihr Bargeldkonto mit einer Robo-Beratung verknüpfen. Wir können uns ein Bargeldkonto ansehen und anhand der Ein- und Ausgänge feststellen, dass der Kunde jeden Monat einen bestimmten Betrag sparen könnte. Junge Leute, die nicht viel Geld haben, können neue Technologien als Hilfsmittel für den Einstieg ins Sparen und Anlegen nutzen; das kann durchaus vollautomatisch ablaufen.  Je mehr Vermögen vorhanden ist, oder je komplexer die Lebenssituation wird, desto mehr ist die Technologie auf die Unterstützung des Menschen angewiesen. Ein Beispiel wäre etwa der Umgang mit einer Scheidung. In 20 Jahren können wir vielleicht die finanziellen Herausforderungen auch in solch besonderen Lebenssituationen ohne menschliche Hilfe bewältigen. 

Wie kann Finanztechnologie künftig eingesetzt werden, um Menschen noch besser im Umgang mit den Finanzen zu unterstützen?
Sie muss in erster Linie die Finanzkompetenz der Menschen unterstützen. Wenn ich heute zu einer Bank gehe, verkauft man mir dort womöglich einen teuren Fonds, der für mich einfach ungeeignet ist. Man sollte auf einer Website nachsehen können, ob ein Produkt fragwürdig ist oder ob es für das eigene Portfolio sinnvoll ist. Das wäre so ähnlich, wie wenn man Google nutzt, um im Internet einzukaufen, nur dass man hier nicht den Preis von Schuhen vergleicht, sondern verschiedene Fonds. Dadurch würde der Markt wesentlich transparenter werden.

1Im Jahr 2013 griff erstmals eine Mehrheit der Erwachsenen mit Bankkonto in Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Italien, den Niederlanden, Schweden und Spanien per PC, Tablet oder Mobiltelefon auf digitale Bankdienste zu statt telefonisch oder in der Bankfiliale. 

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