• Die Kaufkraft der Generation 65+ bietet der Freizeitindustrie viel Potenzial.
  • Im Moment fokussiert sich die Branche aber eher auf das Heilen als auf die Prävention von Krankheiten und die Vermarktung von Lebensfreude.
  • Ältere Menschen bietet sich die Chance, einen aktiven, gesunden Lebensstil zu pflegen und nicht nur über ihr Alter definiert zu werden.
Franz_Linser
Die Freizeitindustrie sollte nicht Produkte verkaufen, die Krankheiten heilen oder vorbeugen, sondern Lebensfreude vermarkten!

Welche Auswirkungen wird die alternde Bevölkerung, Ihrer Meinung nach, auf die Freizeitindustrie haben? 
Die Lebenserwartung hat sich in den letzten 30 bis 40 Jahren stark verändert. Auf den ersten Blick ist sie markant gestiegen. Es gibt heute 70-Jährige, die Mountainbike fahren, surfen und anderen Freizeitaktivitäten nachgehen, die früher üblicherweise 20 Jahre jüngeren Personen vorbehalten waren. Bei genauerer Betrachtung der steigenden Lebenserwartung sollten wir meiner Meinung nach zwischen «Gesundheitserwartung» und «Krankheitserwartung» unterscheiden. Je nach Lebensstil einer Person, sei es zum Beispiel zu wenig Bewegung oder übermässiges Essen, ist die Gesundheitserwartung in vielen Fällen entweder gleich geblieben oder gar gesunken, während die Krankheitserwartung gleichzeitig gestiegen ist.

Bieten sich aufgrund dieser Entwicklung neue Möglichkeiten für Ihre Branche?
Diese Entwicklung wird die Freizeitindustrie in den kommenden Jahren vor grosse Herausforderungen stellen, aber sie bietet der Branche auch neue, fantastische, noch nie da gewesene Möglichkeiten. Die Menschen brauchen in ihrer Freizeit regelmässig gesundheitliche Anreize und insbesondere die Generation 60+ hat dafür das nötige Kleingeld. 

Denken Sie, dass die Freizeitindustrie ihren älteren Kunden heute anders gegenüber steht?
Die Freizeitindustrie muss den Fokus stärker auf den Prozess des Älterwerdens legen. Sie neigt oft dazu, Personen über 65 Jahren wie sehr alte Menschen zu behandeln, obwohl sich viele von ihnen selbst überhaupt nicht alt fühlen. Im Moment beschränkt sich die Freizeitbranche eher auf das Heilen als auf die Prävention von Krankheiten . Kurhotels sind in Deutschland, Österreich und zu einem gewissen Grad auch in der Schweiz sehr beliebt. Solche Hotels hatten in der Vergangenheit grossen Erfolg, aber sie konzentrierten sich stets nur auf die Gebrechen ihrer Gäste. Heute versucht die Branche, einen aktiven, gesunden Lebensstil zu fördern, der sich stark auf die Art, wie die Menschen altern, auswirken wird .

Heute versucht die Branche, einen aktiven, gesunden Lebensstil zu fördern, der sich stark auf die Art, wie die Menschen altern, auswirken wird.

Wie zieht die Freizeitbranche diese älteren Konsumenten an? Auf welche Produkte und Dienstleistungen konzentrieren sie sich? 
Im Zentrum der Entwicklung der Wellness-Branche steht immer mehr ein neuer Lebensstil. Wenn jemand einen fortschrittlichen Wellness-Ort besucht, tut er das in erster Linie, um konkrete Aspekte seines Lebensstils zu ändern. Diese Aspekte betreffen oft Stress und Gewichtsabnahme. Die Wellness-Branche schafft hier Abhilfe. Ältere Menschen werden zum Beispiel auf positive Art dazu ermutigt, ihren Lebensstil zu ändern, und dabei zielgerichtet beraten. Das heisst, dass ihnen Check-ups angeboten werden, bei denen sie wertvolle Rückmeldungen zu ihren Körperfunktionen erhalten und dazu motiviert werden, gesund zu essen und sich körperlich zu betätigen. Solche positive Anreize spornen die Menschen an, einen gesünderen Lebensstil zu pflegen, und zwar bevor sie krank werden. 

Welche Segmente der Bevölkerung 65+ sind für die Freizeitindustrie in Europa aus Marketingsicht am interessantesten? 
In meinen Augen hat die Branche das volle Potenzial älterer Gäste noch nicht erkannt. Die Freizeitindustrie interessiert sich heute immer noch primär für jüngere Menschen. Ich bin aber überzeugt, dass sie die Augen vor dem finanziellen Potenzial der Altersgruppe 60 bis 65+ nicht mehr lange verschliessen wird. Neben der traditionellen Alterssegmentierung von Zielgruppen wird in der nahen Zukunft stärker zwischen verschiedenen Lifestyle-Gruppen unterschieden. Immer mehr Menschen werden sich für Lifestyle-Angebote wie kulinarische Events im Freien, gesundheitsfördernde Aktivitäten und Gemeinschaften von Gleichgesinnten interessieren. Ich glaube, die Freizeitbranche wird sich diese Umstände sehr schnell zu Nutze machen. Für die Generation 65+ ist das eine riesige Möglichkeit, um auf eine neue Art einen aktiven, gesunden Lebensstil zu pflegen und nicht nur über ihr Alter definiert zu werden. 

Wie kann sich die Branche Ihrer Meinung nach verbessern und weiterentwickeln? 
Die Freizeitbranche muss den gesunden Lebensstil zum Trend machen. Gesund sein ist heute für viele Menschen der neue Luxus . Die Freizeitindustrie verkauft oft sehr spezifische Lösungen, zum Beispiel ein konkretes Produkt zur Linderung von Rückenschmerzen. So sollte sie aber nicht denken. Sie sollte nicht Produkte verkaufen, die Krankheiten heilen oder vorbeugen, sondern Lebensfreude vermarkten ! Und zwar, indem sie zum Beispiel wohltuende und gesundheitsfördernde Bewegungsprogramme in einer schönen Naturlandschaft mit gleichgesinnten Menschen allen Alters anbietet, die einen ausgeglichenen und gesunden Lebensstil pflegen möchten.

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