Babyboomer sind stolz auf ihr Erreichtes, Generation X steht der Zukunft skeptisch gegenüber und Generation Y ist süchtig nach Interaktivität. Aljan de Boer, Brand Strategist und Keynote Speaker, erklärt, wieso die verschiedenen Generationen unterschiedlich denken, fühlen und handeln und wie sich die steigende Lebenserwartung auf sie auswirkt.

Mit Jahrgang 1985 gehören Sie zur Generation Y. Welche Einflüsse haben Ihre Generation geprägt?
Als ich drei Jahre alt war, rief ich meine Grossmutter über ein Telefon mit einer Wählscheibe an. Als ich zehn war, wurde die E-Mail erfunden. Mit zwanzig kam das Smartphone und ich war rund um die Uhr mit meinen Freunden und meinen Lieblingsmarken verbunden. Generation Y wuchs in einer vernetzten Gesellschaft auf, was ihr Verhalten und ihre Erwartungen gegenüber Unternehmen stark beeinflusste. Sie nutzt zahlreiche Geräte und Kanäle, um ihre Konsumbedürfnisse abzudecken. Mit diesen neuen Technologien wurde auch eine neue Sprache eingeführt, der so genannte «visuelle» Dialekt. Generation Y kommuniziert mit Emojis, teilt Bilder über Instagram und schaut Videos auf YouTube.

Wie wirken sich diese Einflüsse auf die Eigenschaften Ihrer Generation aus?
Die Menschen der Generation Y werden häufig als narzisstisch, arrogant und egoistisch bezeichnet. Zu Unrecht, wie unsere Forschung gezeigt hat. Zunächst einmal wuchsen sie in kleineren Familien auf, wodurch ihre Babyboomer-Eltern ihnen sehr viel Aufmerksamkeit schenken konnten. Zudem wurde in diesen Haushalten immer alles mit den Kindern besprochen, von der Frage, was für ein Auto Papa kaufen sollte, bis hin zur jährlichen Feriendestination. So wurden sie als professionelle Verhandlungspartner erzogen und standen immer im Mittelpunkt. Deshalb ist die Generation Y äusserst ausdrucksstark und zuversichtlich. Sie ist es sich gewohnt, ihre Meinungen und Ideen zu teilen.

Die steigende Lebenserwartung ist ein brennendes Thema für junge Generationen.

Worin unterscheidet sich dann die Generation Y von anderen Generationen?
Die Babyboomer sind die grösste und reichste lebende Generation und besitzen deshalb viel Macht. Sie sind stolz auf das, was sie wissen und was sie in ihrem glücklichen Leben erreicht haben. Ihre Entwicklungsjahre machten die Babyboomer nach dem Zweiten Weltkrieg durch, in einer Zeit wirtschaftlichen Wohlstands. Bei den Menschen der Generation X, die zwischen 1960 und 1980 geboren wurden, war dies nicht der Fall. Sie stehen – im Gegensatz zu den Babyboomern – der Zukunft skeptisch gegenüber. Die Generation X ist zudem oft gestresst, denn vielfach kümmert sie sich gleichzeitig um die Erziehung ihrer Kinder, sorgt für ihre Eltern und verfolgt dazu noch eine berufliche Karriere. Die Generation Y andererseits wurde von Babyboomern grossgezogen und blickt deshalb wie ihre Eltern positiv in die Zukunft.

Zum ersten Mal in der Geschichte arbeiten so viele Generationen Seite an Seite. Was bedeutet dies für Arbeitgeber?
Die grosse Herausforderung wird sein, ein gemeinsames Verständnis für die Macken und Ticks des anderen zu schaffen. In einem Team sollte man die Stärken und Schwächen des anderen kennen. Wenn man weiss, wie eine Generation tickt, weiss man, wie man sie motivieren und mit ihr zusammenarbeiten kann. Einander nicht zu verstehen, ist gefährlich. Unsere Studien und die Zusammenarbeit mit Unternehmen haben gezeigt, dass die Menschen der Generation X finden, Generation Y sei oft naiv oder zu zuversichtlich. Generation Y hingegen findet, Generation X sei zu zynisch und zeige sich unkooperativ. Wenn man das berücksichtigt, können bei der Teamarbeit Spannungen abgebaut werden.

DSC01142
In der Finanzbranche gibt es noch grosses Potenzial bei der Art und Weise, wie die verschiedenen Generationen angesprochen werden.

Wie kann ein Unternehmen demnach die Fähigkeiten aller Mitarbeitenden-Generationen nutzen und die generationenübergreifende Zusammenarbeit verbessern?
Wir wissen zum Beispiel, dass die Generation Y sich mit den Babyboomern ein bisschen besser versteht als mit der Generation X. Wir wissen auch, dass die Generation Y lernbegierig ist und die Babyboomer gerne ihr Wissen weitergeben. Babyboomer können deshalb als Ausbilder junger Talente eingesetzt werden. Künftig wird es generell mehr generationenübergreifende Teams und umgekehrte Mentoring-Programme geben.

Jedes Mal, wenn Unternehmen leere Versprechungen machen, geht bei Generation Y der Bullshit-Radar an.

Wie wirkt sich die steigende Lebenserwartung auf die Generationen aus?
Das ist ein brennendes und relevantes Thema, besonders für junge Generationen. Viele junge Menschen wissen nicht, wie wichtig eine Rente ist, insbesondere wenn man bis zu 100 Jahre alt wird, was bei jungen Generationen heute durchaus realistisch ist. Allerdings gibt es gerade in der Finanzbranche noch grosses Potenzial bei der Art und Weise, wie die verschiedenen Generationen angesprochen werden.

Welche Generationentrends beeinflussen das Konsumverhalten am meisten?
Die Babyboomer befinden sich in ihrer dritten Lebensphase, und die meisten von ihnen sind trotz ihrem fortgeschrittenen Alter noch gut in Form. Es ist also wichtig, ihnen gegenüber ein aktives Image zu schaffen und einen aktiven Lebensstil zu propagieren. Generation X ist eher skeptisch, deshalb müssen die Unternehmen die Probleme und Ungewissheiten dieser Menschen in der heutigen Welt berücksichtigen und ihnen sehr pragmatische Lösungen anbieten. Die Menschen der Generation Y sind süchtig nach Interaktivität. Es ist also äusserst wichtig, ihnen interaktive Erlebnisse sowohl on- als auch offline zu bieten, wenn man mit ihnen kommuniziert. Ausserdem sind sie sich bewusst, welche Rolle Unternehmen in der Gesellschaft spielen. Sie wissen um die Notwendigkeit eines Unternehmens, Geld zu verdienen und Gewinne zu erzielen. Das ist für sie in Ordnung, aber nur wenn ein Teil dieser Gewinne einem übergeordneten Zweck dient. Generation Y könnte man als Generation mit eingebautem Bullshit-Radar bezeichnen. Jedes Mal, wenn Unternehmen leere Versprechungen machen oder ein schlechtes Verhalten an den Tag legen, geht bei ihr das Radar an. Sie kritisiert dann Unternehmen öffentlich in den sozialen Medien oder wechselt einfach zu einem zweckdienlicheren Konkurrenten.

Sprechen wir zum Schluss noch über die jüngste Generation Z. Welchen Einfluss wird sie auf das Generationenumfeld haben?
Generation Z wird noch digitalaffiner und visueller sein als ältere Generationen. Die ältesten Menschen der Generation Z wurden geboren, als das iPhone auf den Markt kam, deshalb nennen wir sie «Mobile Natives». Sie sind mit Tablets und Smartphones aufgewachsen und werden in einer «Inline»-Welt leben – einer Welt, in der die Off- und die Onlinewelt eins werden. Als Mitarbeitende sind Personen der Generation Z ähnlich wie ihre Eltern der Generation X: hart arbeitende, unabhängige und anpassungsfähige Kollegen.

Interview: Michael Preisig

DSC01142

Aljan de Boer

Aljan de Boer (1985) studierte Marketing und Business Administration in den Niederlanden und in Mexiko. Er verfügt über einen Masterabschluss in Geschäftsführung, arbeitet als internationaler Gastdozent in Marketing und ist für internationale Marken im B2C-, B2B- und Non-Profit-Bereich tätig. Ausserdem ist er Verwaltungsratsmitglied der niederländischen Plattform für innovatives Marketing.

Das könnte Sie auch interessieren

Archiv

«Ein ziemlich mieser Deal»

Mehr lesen

Archiv

«Ich will in einer Stadt ohne Altersdiskriminierung leben»

Mehr lesen

Menschen

Tausche Smog gegen Bergluft

Mehr lesen