Er ist erst 32 Jahre alt und singt bereits auf den grossen Opernbühnen dieser Welt. Der Schweizer Mauro Peter sieht sich trotzdem nicht als Star. Im Interview erklärt er, wie er seine Generation für die klassische Musik gewinnen möchte und warum er irgendwann komplett mit dem Singen aufhören wird.

Sie gehören zu einer Generation, die damit aufgewachsen ist, dass Musiker Produkt einer TV-Show sind. Ein ziemliches Kontrastprogramm zu dem, was die klassische Oper bietet – Vorteil oder Nachteil?
Beides. Wenn wir es in der Oper richtig machen, können wir uns in einer guten Art von der Welt der TV-Shows abheben. In den TV-Casting-Shows wird innerhalb weniger Wochen ein Laiensänger zum Chartstürmer gecoacht. Das gibt es bei uns nicht. Ein Opernsänger durchläuft jahrelange Gesangsausbildungen, bis er auf der Bühne steht. Opernhäusern sollte es gelingen, diese Unterschiede aufzuzeigen und sich selber treu zu blieben, ohne dass sie zu Museen verkommen.

Doch neue Hits sucht man in der Welt der Oper vergebens?
Wir singen altes Zeug – das stimmt! Aber das alte Zeug ist so gut und kann auf so viele Arten neu interpretiert werden, dass es nicht von seiner Kraft verliert.

Zurück zu den Casting-Shows. Wie wurden denn Sie entdeckt?
Das Casting ging recht unspektakulär über die Bühne: Als ich etwa acht Jahre alt war, hat der damalige Leiter der Luzerner Singknaben bei uns in der Klasse vorbeigeschaut und mit uns ein paar Lieder gesungen. Ein paar Jungs und ich sind dann in den Chor der Luzerner Singknaben eingeladen worden. Erst war ich eine von vielen Stimmen im Chor und mit der Zeit habe ich dann regelmässig Soloauftritte ergattert.

Was waren Ihre Träume, wenn es mit der Gesangskarriere nicht geklappt hätte?
Ich wollte schon als Kind Sänger werden. Natürlich in Kombination mit Profifussballer. Dies habe ich auch in alle Freundschaftsbücher reingeschrieben. Das mit dem Fussball war aber nie ein ernsthafter Plan (lacht). Ich habe immer alles auf eine Karte gesetzt und habe daher bis heute keinen Plan B und das passt für mich so.

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Ich wollte schon als Kind Sänger werden. Natürlich in Kombination mit Profifussballer.

Die grossen Rollen sind in der Opernwelt wohl hart umkämpft. Gibt es da auch Rivalität unter den Sängern?
Unter Sängern ist der Umgang meist ganz okay. Man freut sich durchaus auch mal für einen Gesangskollegen, wenn dieser einen tollen Auftrag an Land ziehen kann. Nichtsdestotrotz ist der Konkurrenzkampf gross und das Business hart. Auch Medien und Meinungsmacher mischen mit und können eine Karriere fördern oder auch bremsen.

Ihr Kalender ist gespickt mit internationalen Auftritten. Wie hoch ist der Anteil an Selbstbestimmung und wie hoch der Anteil Fremdbestimmung in Ihrem Leben?
Wenn es darum geht, zu entscheiden, welche Engagements ich annehme, bin ich heute sehr selbstbestimmt. Ich habe einen Punkt in meiner Karriere erreicht, bei welchem ich finanziell so gut gestellt bin, dass ich es mir leisten kann, auch einmal Nein zu sagen. Zu Beginn meiner Laufbahn hatte ich diese Freiheit nicht.

Ich habe einen Punkt in meiner Karriere erreicht, an dem ich es mir leisten kann, auch einmal Nein zu sagen. Zu Beginn meiner Laufbahn hatte ich diese Freiheit nicht.

Wie viel Freiraum haben Sie in der Interpretation einer Opernrolle?
Der Anteil Selbstbestimmung ist bei meinen Rollen eher gering. Ich bin strikt an Text und Noten gebunden. Doch je grösser meine Rolle in einem Stück ist, desto mehr versuche ich, mich in die Figurenpersönlichkeit einzubringen. Es bleibt immer Raum für Individualität. Das macht die wahre Kunst aus. Ich nutze dabei den Interpretationsspielraum kleiner Dinge. Beispielsweise, indem ich das Tempo einer Arie mitgestalte.

Die Oper muss die Herausforderung meistern, auch junges Publikum anzuziehen. Sie sind in den sozialen Netzwerken aktiv. Wie nutzen Sie diese digitalen Bühnen?
Ich sehe die Social-Media-Kanäle – insbesondere Instagram und Facebook – als interessante Vehikel, um neues, jüngeres Publikum für die klassische Musik zu gewinnen. Heute verkauft man sich selber und sein Produkt auch über diese Kanäle. Ich setze dabei auf maximale Authentizität. Wenn ich als Opernsänger krampfhaft versuche hip zu sein, habe ich schon verloren.
Dabei versuche ich das aus dem Opernumfeld rüberzubringen, was Junge interessieren könnte. Das kann ein Blick hinter die Kulissen sein, ein Video, das mich beim Einsingen eines Stücks zeigt oder auch mal ein privates Foto beim Relaxen.

Wenn ich als Opernsänger krampfhaft versuche hip zu sein, habe ich schon verloren.

Wären Sie ab und zu gerne Star in einer populäreren Sparte?
Das Einkommen von einem Leonardo di Caprio hätte ich gerne, aber nicht die Aufmerksamkeit. Ich sehe mich selber aber sowieso nicht als Opernstar. Ich mag erfolgreich sein, aber wirkliche Stars gibt es in meinem Gebiet weltweit vielleicht fünf oder sechs. Ich kann komplett unerkannt durch Zürich spazieren und das ist gut so. Und wenn ich direkt vor dem Opernhaus mal von Opernfans erkannt werde, dann kann ich darauf bauen, dass sie sehr diskret sind (lacht).

Sie haben noch eine lange Karriere vor sich. Ist man überhaupt irgendwann für das Singen zu alt?
Definitiv. Wenn’s bei mir weiterhin gut läuft, kann ich mir vorstellen, bis 70 zu singen. Die Stimme muss aber mitspielen. Ich will nie ein Künstler sein, über den die Leute hinter vorgehaltener Hand sagen, dass er seinen Zenit überschritten hat. Seit meiner Jugend gilt meine erste Sorge, wenn ich morgens aufwache, meiner Stimme. Die Vorstellung, dass meine Stimme auch mal einen schlechten Tag haben kann und mir das egal sein kann, hat auch etwas Befreiendes.

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Mauro Peter

Mauro Peter ist 1987 in Luzern geboren und gehört zu den international gefragtesten Opernsängern der Schweiz. Der Tenor ist regelmässig auf international bekannten Opernbühnen zu sehen, etwa an der Mailänder Scala oder an den Salzburger Festspielen. Seit 2013 gehört er zudem zum Ensemble des Opernhauses Zürich. Er hat insgesamt drei eigene Alben veröffentlicht.

Infos zum gesellschaftlichen Engagement von Swiss Life

Swiss Life unterstützt in der Schweiz ausgewählte Institutionen, die Selbstbestimmung und Zuversicht fördern. Die Institutionen sind alle in den Bereichen Kultur, Umwelt, Forschung, Wissenschaft und Bildung tätig. Zusätzlich betreibt Swiss Life Standortförderung und hat in der Schweiz auch zwei eigene Stiftungen: die Stiftung «Perspektiven» und die Jubiläumsstiftung für Volksgesundheit und medizinische Forschung. Das Opernhaus Zürich ist eine von zehn Institutionen, die Swiss Life Schweiz im Rahmen der Standortförderung finanziell unterstützt. Swiss Life ist beim Opernhaus Projektpartner ausgewählter Formate von «Opernhaus Jung». Das sind Vorstellungen und Workshops für Kinder und Jugendliche.

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