Wie lässt sich der «Gender Pension Gap» überwinden? Damit Frauen im Alter mehr Geld und mehr Sicherheit haben, braucht es aktivere Unternehmen, staatliche Reformen, einen Wandel in der Gesellschaft und vor allem auch mehr Eigeninitiative.

Teilzeitpensen, tiefere Löhne, längere Erwerbsunter­brüche wegen Mutterschaft – und erst noch eine höhere Lebenserwartung: Diese Faktoren gehören zu den 7 Hauptgründen für den «Gender Pension Gap». In Europa erhalten Frauen durchschnittlich rund 40 Prozent weniger Rente als Männer. Die gute Nachricht: Die geschlechtsspezifischen Rentendifferenzen sind kein Naturgesetz, sondern können verringert werden. Das Thema hat in der öffentlichen Debatte an Dringlichkeit gewonnen. Folgende Massnahmen werden aktuell diskutiert – auf wirtschaftlicher, politischer, gesellschaftlicher und individueller Ebene:

Wirtschaft: flexiblere Vorsorgepläne

Unsere Renten sind in hohem Masse an das Erwerbsleben gekoppelt. Einen wichtigen Beitrag zur Reduktion des «Gender Pension Gap» können daher die Arbeitgeber leisten. Konkrete Möglichkeiten formuliert zum Beispiel Mercer, ein weltweit führendes Beratungsunternehmen im Bereich Human Resources, in seiner eben erschienenen Studie «The Gender Pension Gap – From Awareness to Action».

Demnach können Unternehmen die Karrierechancen der Frauen verbessern, indem sie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie mittels flexibler Arbeitszeiten, Home-Office-Möglichkeiten und Karriereflexibilität fördern (siehe auch Box: Initiative «Berufsleben aktiv gestalten» von Swiss Life). Daneben gelte es, die beruflichen Vorsorgepläne zu flexibilisieren. «Die meisten Pensionierungspläne sind für eine 40-jährige, kontinuierliche Vollzeitkarriere mit wenigen Unterbrüchen vorgesehen, ohne die davon abweichenden Bedürfnisse von Frauen zu berücksichtigen», sagt Eve Read, Head of Financial Wellness bei Mercer. «Firmen sollten ihre Vorsorgepläne durch eine Geschlechter-Optik betrachten, um sicher zu sein, dass sie die spezifischen Themen und Bedürfnisse der weiblichen Belegschaft einbeziehen.»

Und wie lässt sich dieser Mindset nachhaltig in Unternehmen implementieren? Laut der McKinsey-Studie «Women Matter 2016» gelingt dies am besten, wenn folgende drei Faktoren erfüllt werden:

  • Eine gelebte Kultur der Vielfalt mit langfristigen Programmen, die regelmässig überprüft werden;
  • Ein(e) CEO, der oder die die Kultur aktiv unterstützt und die Erhöhung des Frauenanteils auf allen Managementebenen fördert;
  • Eine ganzheitliche Strategie mit dem Ziel, die Diversität innerhalb der ganzen Firma zu erreichen.

Politik: Karriereunterbrüche berücksichtigen

Die Rentenlücke ist kein nationales Phänomen, sondern manifestiert sich in ganz Europa. Und für fast alle Länder gilt: Bei der Altersvorsorge ist die Kluft zwischen Männern und Frauen sogar doppelt so gross wie bei den Löhnen (Gender Pay Gap). Auf politischer Ebene sei es deshalb am wirkungsvollsten, die Rahmenbedingungen für die Berufskarriere der Frauen und für Familienphasen zu verbessern. Zu diesem Schluss kommen sowohl ein Report der OECD als auch eine neue EU-Strategie zur Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Rentengefälles. «Die Zeiten, in denen Frauen ihre berufliche Laufbahn unterbrochen haben, um sich der Kindererziehung zu widmen, müssen für die Berechnung der Renten auch berücksichtigt werden», sagt die französische EU-Abgeordnete Constance Le Grip. Zu den weiteren Empfehlungen an die Staaten gehören die Öffnung der Rentensysteme für verschiedene Arbeitsverhältnisse (z. B. Minijobs, kleine Pensen, sehr tiefe Löhne) oder steuerliche Anreize für Frauen, um länger und mit kürzeren Unterbrechungen zu arbeiten. Um die Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen, sei aber auch ein gesellschaftlicher Wandel nötig, sagt Constance Le Grip. «Abgesehen von der Gesetzgebung muss sich auch die Gesellschaft bewegen. Und auch die Frauen müssen erkennen, welch enormes Potenzial sie der Gesellschaft bieten.»

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Entscheidend ist, dass die Zeiten, in denen Frauen ihre berufliche Laufbahn unterbrochen haben, um sich der Kindererziehung zu widmen, in den Rentensystemen auch berücksichtigt werden.

Gesellschaft: Millennials als Motor des Wandels?

Vieles weist darauf hin, dass die Millennials dazu beitragen werden, die traditionellen Familien- und Arbeitsstrukturen in der Gesellschaft massgeblich zu verändern.

Die weiblichen Millennials verkörpern eine neue Frauengeneration: Sie sind besser ausgebildet als jede vor ihr, haben mehr weibliche Vorbilder in Wirtschaft und Politik und beschreiten aktiv neue Wege, um das Finanzwissen und Frauenkarrieren zu fördern. Mit Finanzblogs- und Portalen von Frauen für Frauen nutzen sie das Internet zur Aufklärung und zum Austausch über Geldfragen. Zu den erfolgreichsten gehört Natascha Wegelin alias «Madame Moneypenny». «Man muss nicht Mathe studiert haben, um sich um die eigenen Finanzen zu kümmern», sagt die 31-jährige Berliner Unternehmerin, die anderen Frauen Mut machen will und bereits über 30 000 Leserinnen im Monat erreicht.

Zudem hat die neue Frauengeneration erkannt, dass man gemeinsam weitaus mehr schaffen kann. Junge Firmengründerinnen und Karrierefrauen tauschen sich weltweit vermehrt in Netzwerken aus, knüpfen Beziehungen, fördern als Mentorinnen den weiblichen Nachwuchs und verschaffen weiblichen Anliegen mehr Gehör in der Öffentlichkeit und in den Unternehmen.

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Firmen sollten ihre Vorsorgepläne durch eine Geschlechter-Optik betrachten, um sicher zu sein, dass sie die spezifischen Themen und Bedürfnisse der weiblichen Belegschaft einbeziehen.

Individuelle Ebene: Besseres Risikomanagement der Frauen

Damit Frauen im Alter selbstbestimmt leben können und finanziell abgesichert sind, ist es zentral, dass sie sich eigenverantwortlich um ihre Finanzplanung kümmern. Frauen sollten auch, gerade weil sie heute noch nicht überall gleiche Löhne für gleiche Arbeit erhalten und häufiger Teilzeit arbeiten, deutlich mehr fürs Alter sparen und früher damit beginnen. Sich einfach auf die Rente des Partners zu verlassen, sei keine Option mehr, sagt die Finanzexpertin und Buchautorin Helma Sick, «70 Prozent aller Frauen in Deutschland sparen nichts oder weniger als 50 Euro im Monat für ihre private Altersvorsorge», sagt sie. «Das sind erschreckende Zahlen, besonders wenn man bedenkt, dass etwa jede zweite Ehe geschieden wird.»

Frauen stärken ihre Position also wesentlich, wenn sie finanziell unabhängig werden und in Sachen Vorsorge ein besseres Risikomanagement betreiben. Konkret könnte das heissen: Mit Eintritt ins Erwerbsleben nach Möglichkeit auch kleine Summen in die Altersvorsorge investieren, um den Zinseszinseffekt zu nutzen. Bei Erwerbsunterbrüchen oder Teilzeitarbeit aufgrund der Betreuung von Kindern oder betagten Familienmitgliedern sollte der Sparvertrag zur Altersvorsorge zudem nicht stillgelegt werden, sondern – so möglich – aus dem Familieneinkommen weitergeführt werden. Viele Versicherungen haben mittlerweile auch Babypausen in ihre Rentenmodelle mitaufgenommen.

Kein Patentrezept

Klar ist: Es gibt kein Patentrezept. Die hier vorgestellten Massnahmen können aber bewirken, dass Frauen im Alter mehr Geld zur Verfügung haben, besser abgesichert sind und selbstbestimmter leben können. Jede einzelne Massnahme trägt zur Reduktion des «Gender Pension Gap» bei. Und je mehr davon umgesetzt werden, desto besser. 

Initiative «Berufsleben aktiv gestalten» von Swiss Life

Zu den Unternehmen, die bezüglich des Berufslebens umdenken und ihre Arbeitsmodelle modernen gesellschaftlichen Bedürfnissen anpassen, gehört auch Swiss Life. Mit ihrer Initiative «Berufsleben aktiv gestalten» führt sie seit 2016 neue Massnahmen wie etwa flexiblere Arbeitszeit- und Entwicklungsmodelle ein, um so die Arbeitsfähigkeit der Mitarbeitenden zu gewährleisten. «Dadurch kann es uns gelingen, die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben der Mitarbeitenden und insbesondere auch der Frauen zu vereinfachen, damit sie in jeder Lebensphase ihres Berufslebens gesund und motiviert die optimale Leistung erbringen können», sagt Bettina Kurth, Leiterin Human Resources Schweiz von Swiss Life. 

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