Die Jugend von heute, so heisst es oft, sei konsumorientiert, lebe über ihre Verhältnisse und könne nicht mit Geld umgehen. Wir haben ihr Sparverhalten genauer angeschaut – und das Gegenteil herausgefunden: Die heutige Jugend geht mit ihren Finanzen bedacht um.

Ihr Image ist nicht das Beste: Als faul, ungeduldig und anmassend sehen sich junge Menschen von den älteren Generationen oft wahrgenommen, wie eine aktuelle Umfrage des World Economic Forum ergab.

Die Realität sieht aber ganz anders aus, zumindest wenn es um das Sparverhalten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen geht: Die heutige Jugend spart regelmässig, macht wenig Schulden und sorgt schon früh auch für später vor. Das geht aus den wichtigsten Studien in Deutschland, Frankreich und der Schweiz hervor. Über die Landes- und Sprachgrenzen hinweg zeigen sie das Bild einer verantwortungsvollen Jugend, die bedacht mit Geld umgeht.

Vier von fünf Jugendlichen sparen

Die Jungen sind sich, was das Sparverhalten grundsätzlich betrifft, in den drei Ländern sehr ähnlich. Vier von fünf Jugendlichen und jungen Erwachsenen (also rund 80%) legen jeden Monat einen Teil ihres Einkommens auf die hohe Kante. Auch bei den Geldquellen gibt es Parallelen. Für die meisten Jugendlichen, vor allem natürlich in jüngeren Jahren, ist regelmässiges Taschengeld die wichtigste Geldquelle, gefolgt von selbst verdientem Geld im Beruf oder in der Lehre sowie an dritter Stelle Neben- oder Ferienjobs. Hier die wichtigsten Erkenntnisse aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz:

Deutschland: Sparen für grössere Anschaffungen

Zwei Drittel der jungen Deutschen im Alter zwischen 14 und 24 Jahren macht es Spass, sich um die eigenen Finanzen zu kümmern. Das ergab die Jugendstudie 2015 des Deutschen Bankverbandes. Die Jugendlichen sind eifrige Sparer, auch wenn vier von zehn Befragten wegen der tiefen Zinsen bezweifeln, dass es sich derzeit wirklich lohnt, Geld zurückzulegen. «In dieser Ära der Niedrigzinsen gleichen sehr sichere Renditen, wie sie das Sparbuch garantiert, nicht einmal die jährliche Inflation aus», bestätigt Jörg Arnold, CEO von Swiss Life Deutschland: «Deshalb sollte man sich mit alternativen Anlagemöglichkeiten beschäftigen. Man muss heutzutage gewisse Risiken eingehen, um mehr aus seinem Geld zu machen.»

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Man muss in Zeiten von Niedrigzinsen gewisse Risiken eingehen, um mehr aus seinem Geld zu machen.

Von durchschnittlich 472 Euro, die Jugendlichen und jungen Erwachsenen monatlich zur Verfügung stehen, legen sie rund 131 Euro auf die hohe Kante. Das zeigt eine aktuelle Umfrage der Deutschen Bank. Ihre Sparquote liegt damit bei 28% und ist fast dreimal so hoch wie die der privaten Haushalte in Deutschland. Das liegt auch daran, dass viele Junge noch zu Hause wohnen und darum auch geringere Ausgaben für Essen, Miete etc. haben.

Deutschlands Jugend spart zur Hauptsache für grössere Anschaffungen wie Elektronik, Führerschein oder Autos sowie für Notfälle. Mit zunehmendem Alter nimmt das Konsumsparen ab und Gedanken an die finanzielle Sicherheit gewinnen an Bedeutung: Laut der Umfrage der Deutschen Bank sparen 13% der 14- bis 25-Jährigen bereits für die Altersvorsorge. «Mir ist bewusst, dass das Thema Altersvorsorge für junge Leute noch ganz weit weg ist», sagt Arnold, «aber sich früh Gedanken zu machen und lange Laufzeiten zu nutzen, lohnt sich.»

Die jungen Deutschen blicken sehr zuversichtlich in die eigene finanzielle Zukunft. So gehen sechs von zehn Befragten davon aus, dass sich ihre finanzielle Lage in den kommenden sechs Monaten verbessern wird.

Frankreich: Sparen für die Sicherheit

Die jungen Franzosen haben ein gespaltenes Verhältnis zu Geld. Das zeigt unter anderem eine Studie der Axa Banque aus dem Jahr 2016, die 16- bis 24-Jährige befragte. Für die jungen Französinnen und Franzosen bedeute Geld einerseits Vergnügen und Erfolg, gleichzeitig aber auch Stress und Ärger. Diese Ambivalenz kam schon 2007 in einer grossen Untersuchung des Institut pour l’éducation financière du public (IEFP) unter 15- bis 20-Jährigen zum Ausdruck.

«Geld macht den jungen Menschen in Frankreich unterschwellig Angst», sagt Pascale Micoleau-Marcel, IEFP-Geschäftsführerin. «Sie haben darum ein starkes Bedürfnis, sich finanziell abzusichern.» Laut ihrer Untersuchung erstellt über die Hälfte der befragten Jugendlichen und jungen Erwachsenen (55%) ein Budget. 41% der Jugendlichen sparen «für später» und weitere 11% «zur Sicherheit», 38% für eine grössere Anschaffung. Ihnen stehen monatlich im Mittel 232 Euro zur Verfügung. Wie viel sie davon sparen, geht aus den Erhebungen nicht hervor.

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Geld macht den jungen Menschen in Frankreich unterschwellig Angst.

Was in Frankreich auch auffällt: Mit steigendem Alter steigt auch die Zahl jener, die finden, sie hätten zu wenig Geld zur Verfügung. 54% der 19- und 20-Jährigen sind dieser Meinung, 46% der 17- und 18-Jährigen sowie 28% der 15- und 16-Jährigen.

Schweiz: Sparen für Ferien

Das Jugendbarometer der Credit Suisse , das seit 2010 regelmässig die Werte und das Verhalten der 16- bis 25-Jährigen untersucht, kommt zu einem klaren Befund: «Der Grossteil der Schweizer Jugendlichen ist frei von finanziellen Verpflichtungen und geht bedacht mit Geld um.»

Erhielten sie 10 000 Franken geschenkt, würden sie den grössten Teil, rund 2500 Franken, auf ein Sparkonto einzahlen, 1500 Franken für Ferien ausgeben und rund 1200 Franken «für schwierige Zeiten» zurücklegen. Der viertplatzierte Ausgabeposten, mit knapp 800 Franken: auf ein Haus sparen. 83% geben an, dass sie später einmal ein eigenes Haus oder eine Wohnung haben möchten.

Dieser Befund wird auch durch die «Juvenir 3.0»-Studie der Jacobs Foundation bestätigt, die 2014 erschien. Sie befragte Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 15 bis 21 Jahren zum Thema Geld. «Von der via Medien häufig verbreiteten Darstellung einer verschuldungsgefährdeten Jugend haben wir keine Spur gefunden», sagt Alexandra Güntzer von der Jacobs Foundation.

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Von der via Medien häufig verbreiteten Darstellung einer verschuldungsgefährdeten Jugend haben wir keine Spur gefunden.

Drei Viertel der Befragten finden es laut der Juvenir-Studie wichtig, möglichst früh selbständig und finanziell unabhängig vom Elternhaus zu sein, auch wenn das mit Einschränkungen verbunden ist. Und praktisch alle (98%) finden es richtig, sich besondere Wünsche durch selbst verdientes oder angespartes Geld zu erfüllen.

Die Jugendlichen sparen laut einer Längsschnittstudie der Universität Zürich (mit 1057 15- bis 22-Jährigen) monatlich durchschnittlich 209 Schweizer Franken. Ferien und Reisen sind ihre wichtigsten Sparziele, an zweiter Stelle folgen der Führerschein beziehungsweise ein Fahrzeug und an dritter «finanzielle Sicherheit» für später. Ähnlich wie in Deutschland sehen 60% der Befragten ihre Zukunft optimistisch.

Grösstes Manko: Finanzwissen

Eine der grössten Gemeinsamkeiten unter den drei Ländern stimmt allerdings nachdenklich: Das Finanzwissen der jungen Menschen, auch Financial Literacy genannt, lässt sehr zu wünschen übrig. In Deutschland konnten 60% den Begriff Rendite nicht richtig erklären, 40% wussten nicht, was Inflation ist. Ähnlich schlecht schneiden junge Leute in der Schweiz ab: Nur die Hälfte konnte Fragen zu Risiken und Renditen richtig beantworten. Auch den französischen Jugendlichen, so heisst es in der IEFP-Studie, «scheinen die Welten der Wirtschaft und Finanzen weit entfernt zu sein und es fällt ihnen schwer, sie mit dem täglichen Leben in Verbindung zu bringen».

Das ist für Jörg Arnold bedenklich: «Wissen ist die Voraussetzung, um überlegte Finanzentscheidungen zu treffen, um Chancen zu erkennen, Risiken richtig einzuschätzen – und um in Zukunft ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Wir brauchen endlich ein verpflichtendes Schulfach Finanzen.»

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