Im Vergleich zu den Babyboomern sind jüngere Generationen bei der langfristigen finanziellen Vorsorge stark benachteiligt.

  • Tiefere Rentenbeiträge und steigende Lebenshaltungskosten führen zu finanziellen Ungleichheiten zwischen Jung und Alt
  • Wenn es künftig in gewissen Ländern mehr Rentner als Erwerbstätige gibt, ist die Stabilität der Weltwirtschaft bedroht
  • Regierungen, Arbeitgeber und Finanzdienstleister sind in der Pflicht, diese Kluft zu überwinden und die Aussichten für jüngere Leute zu verbessern

Jüngere Menschen mögen körperlich fitter sein, doch wenn es um die Finanzen geht, haben sie gegenüber den Älteren das Nachsehen.

Untersuchungen der London School of Economics zeigen, dass in Grossbritannien bis zu den Jahren 2010–2012 das mittlere Haushaltsgesamtvermögen der 55- bis 64-Jährigen auf GBP 425 000 gestiegen, das der 25- bis 34-Jährigen dagegen auf GBP 60 000 gefallen war. Um diese Lücke zu schliessen, müssten junge Haushalte drei Jahrzehnte lang täglich GBP 33 sparen, was für einen durchschnittlichen 30-Jährigen eher unrealistisch ist.

Als die Intergenerational Foundation (IF), eine britische Forschungsstelle für Generationengerechtigkeit, im März 2016 ihren ersten europaweiten Gleichheitsindex veröffentlichte, stellte sie sogar fest, dass die finanziellen Aussichten für junge Menschen so schlecht waren wie seit zehn Jahren nicht mehr.

Zu dieser Vermögenslücke zwischen den Generationen haben verschiedene Faktoren beigetragen, darunter die steigende Lebenserwartung, weniger grosszügige staatliche und betriebliche Renten, Marktrückgänge, hohe Arbeitslosigkeit und steigende Häuserpreise.

Liz Emerson, Mitgründerin der IF, warnt vor zunehmender Altersarmut, wenn gegen diese Faktoren nichts unternommen werde. «Wenn die jüngere Generation nicht sparen kann, hat das enorme Konsequenzen», erklärt sie.

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Wenn die jüngere Generation nicht sparen kann, hat das enorme Konsequenzen.

Rentenkürzungen

Für die geburtenstarken Jahrgänge war eine grosszügige berufliche Altersvorsorge mit Leistungsprimat die Norm. Heute sind die Kosten einer solchen Altersvorsorge mit Leistungsprimat für die meisten Arbeitgeber untragbar geworden. Als kostengünstigere Alternative haben sich daher Systeme mit Beitragsprimat durchgesetzt, bei denen die Mitarbeitenden das Anlagerisiko allein tragen.

Pablo Antolín-Nicolás, Chefökonom und Leiter des Bereichs Privatvorsorge bei der OECD, erläutert: «Mit dem Umstieg vom Leistungs- auf das Beitragsprimat ging eine Senkung der Beiträge einher. Besonders die Arbeitgeberbeiträge sind kleiner geworden. Unter dem Leistungsprimat zahlten Arbeitgeber und Arbeitnehmer rund 20–25%, heute dagegen nur noch rund 10%. Damit ist es sehr schwierig, ein Alterseinkommen in gleicher Höhe zu erzielen.»

Auch der Staat hat sich aus der Altersvorsorge zurückgezogen. Wenn die Quote der über 65-Jährigen pro 100 europäischen Bürgern der Altersgruppe 25–64, wie prognostiziert,zwischen 2015 und 2055 von 31,6 auf 61,6 steigt, könnte der Beitragsfluss in die staatlichen Vorsorgesysteme unter der Belastung einbrechen.

Aaron Grech, leitender Beamter im Bereich Wirtschaft und Statistik der Zentralbank von Malta und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der London School of Economics, erklärt: «Im aktuellen Umfeld wird die staatliche Altersvorsorge zurückgefahren, und in den nächsten 40 Jahren wird es zu einem Rückgang der Lohnersatzquoten von 5–15% kommen. Das begrenzte Volumen des Finanzvermögens könnte gewichtige Fragen nach der Angemessenheit der Alterseinkommen aufwerfen.»

Da die Europäer eine lange Lebenserwartung haben, müsse dieses Gefälle sofort angegangen werden, meint Patrick Frost, CEO der Swiss Life-Gruppe: «Was können wir tun? Das Problem aussitzen und weiter Schweigen? Natürlich nicht. Auch wenn eine Lösung vielleicht nicht angenehm ist. Es geht um nicht weniger als um die Solidarität zwischen den Generationen. Was wir jetzt tun, wird Folgen für Menschen haben, die noch gar nicht geboren sind. Es wäre deshalb ungerecht, wenn wir nicht handeln.»

Es geht um nicht weniger als um die Solidarität zwischen den Generationen. Was wir jetzt tun, wird Folgen für Menschen haben, die noch gar nicht geboren sind.»

Wissensaustausch

Als Beitrag zur Solidarität zwischen den Generationen können ältere Menschen den Jüngeren helfen, langfristig zu planen und zu sparen.

 «Die berufliche Vorsorge ist mit der Zeit geschrumpft», erklärt Grech, «doch vieles deutet darauf hin, dass jüngere Generationen sich bisher kaum für die bestehenden Vorsorgemöglichkeiten interessieren. Wenn es eines gibt, was jüngere Generationen von den älteren lernen müssen, dann ist es, dass Vorsorge wichtig ist.»

Die IF schlägt vor, dass ältere Menschen, mit staatlicher Hilfe, mehr tun sollten, um ihr angesammeltes Vermögen weiterzugeben, bevor sie sterben. Seit jeher geben die Menschen Geld an die nächste Generation weiter, doch durch die steigende Lebenserwartung erben jüngere Familienmitglieder heute erst viel später im Leben.

Emerson schlägt vor: «Der Staat könnte die Weitergabe zu Lebzeiten fördern, indem er Vermögenstransfers zwischen den Generationen erleichtert und steuerlich begünstigt. Die IF plädiert dafür, eine Generation zu überspringen, damit Vermögen dann weitergegeben wird, wenn es am dringendsten benötigt wird, etwa für die Familiengründung oder für den Erwerb von Wohneigentum.»

Ausserdem regt Emerson an, dass sich ältere Generationen wahrscheinlich eher mit einer schnelleren Reform der eigenen Rente und des Renteneintrittsalters abfinden könnten, wenn sie «sehen, dass es ihren Kindern und Enkeln langfristig hilft, wenn sie selbst länger eine geringere Rente beziehen».

Intervention von aussen

Staat und Arbeitgeber haben es ebenfalls in der Hand, die finanziellen Aussichten der Generation Y und zu verbessern.

Grech schlägt vor, der Staat solle in Wohnungsbauprojekte investieren, um jüngeren Menschen zu helfen, hohe Immobilienkosten zu schultern, und Programme zur Verbesserung der Beschäftigungsaussichten lancieren. «Es ist zentral, dass die jüngeren Generationen auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen bekommen. In allen Ländern Europas muss der Staat Ressourcen bündeln, um den Zugang zu Bildung und Ausbildung zu verbessern», führt er aus.

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Es ist zentral, dass die jüngeren Generationen auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen bekommen.

Als positives Beispiel für die Förderung der Generationengerechtigkeit nennt Emerson Norwegen. Norwegen nutzt seinen Staatsfonds GPFG (Government Pension Fund Global), um Vermögenswerte für künftige Generationen abzusichern und damit die finanziellen Aussichten junger Menschen zu verbessern. «In Norwegen gibt es einen faireren Interessenausgleich zwischen verschiedenen Generationen.»

Der Rückgang der beruflichen Vorsorge bedeutet nicht, dass die Arbeitgeber sich vor ihrer Verantwortung drücken, den Bürgern beim Sparen für den Lebensabschnitt nach der Pensionierung zu helfen. Die Wertschätzung einer beruflichen Vorsorge und die Zahlung angemessener Beiträge, die den Arbeitnehmern einen Anreiz zur Teilnahme bieten, sind für Arbeitgeber wichtige Möglichkeiten, die finanzielle Lage jüngerer Arbeitskräfte zu verbessern.

Grech fordert: «Arbeitgeber müssen der beruflichen Vorsorge wieder mehr Bedeutung beimessen. Die berufliche Vorsorge ist ein hervorragendes Tool, um Mitarbeitende zu gewinnen, die eine langfristige Karriere anstreben und offener für Schulungen und Fortbildungen sind.»

Die Zügel in die Hand nehmen

Auch wenn das finanzielle Umfeld für jüngere Sparer momentan schwierig ist, haben sie doch Möglichkeiten, die Kontrolle in Teilbereichen wieder zu übernehmen.

Wenn es um Technik geht, haben sie gegenüber Älteren die Nase vorn, und der Zugang zu Wissen und Beratung war noch nie so einfach wie heute. Ausserdem ist es Zeit für weitere Produktinnovationen der Finanzdienstleister.

Auch wenn die Finanzmärkte unberechenbar sind, können junge Menschen ein beträchtliches Vermögen aufbauen, wenn sie frühzeitig aktiv werden.

Wenn nun noch eine engere Partnerschaft zwischen Industrie, Staat, Arbeitgebern und Bürgern hinzukommt, wird ein gerechteres Umfeld für die Vermögensbildung Realität.

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