Sie sind so wichtig wie nie. Grosseltern übernehmen Betreuungsaufgaben und sorgen häufig auch finanziell für ihre Enkel. Und selbst auf deren Bildungserfolg haben sie einen Einfluss, wie eine neue Untersuchung zeigt.

Die Verlängerung der gemeinsamen Lebenszeit von Grosseltern und Enkelkindern gehört zu den emotionalsten Effekten der Langlebigkeit. Heute haben in der Schweiz 96 Prozent der Teenager mindestens einen Grosselternteil, 39 Prozent können diesen sogar zu ihrem 30. Geburtstag einladen. Ähnlich präsentiert sich die Situation in Deutschland, wo bereits sieben von zehn Grosseltern noch den 25. Geburtstag ihrer Enkel erleben.

Intimität auf Distanz

Die Auswirkungen der neuen Mehrgenerationengesellschaft sind in vielerlei Hinsicht bedeutend, wie die boomende Generationenforschung festgestellt hat. Zum einen für die Omas und Opas selber, denn eine aktive Grosselternschaft kann zu einem wirksamen sozialen Jungbrunnen werden und sich auch positiv auf das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit auswirken. Zum anderen sind sie auch ein Segen für die ganze Familie und Gesellschaft. Zwar wohnen die Generationen nicht mehr wie früher unter einem Dach, trotzdem besteht eine enge Verbindung – eine «Intimität auf Distanz», wie der Schweizer Generationenforscher François Höpflinger das Phänomen benannte.

Finanziell und zeitlich engagiert

Fest steht: Grosseltern sind für die Enkelgeneration wertvoller denn je. Da in der mittleren Generation immer häufiger auch die Mütter berufstätig sind und sich die Betreuungsangebote für Kinder in vielen Ländern lückenhaft und teuer gestalten, ist die Unterstützung der fitten Omas und Opas der Babyboomer-Generation oft unentbehrlich.

Manifest wird deren Bedeutung in den materiellen Zuwendungen. Untersuchungen zeigen, dass in den meisten europäischen Ländern zwischen 20 und 30 Prozent der Grosseltern die Familien ihrer Kinder finanziell unterstützen. Wie viel davon direkt zu den Enkelkindern fliesst, etwa für einen Auslandsaufenthalt, einen Mietzuschuss oder ein Studium, ist noch kaum untersucht worden. Doch eine aktuelle Studie deutet darauf hin, dass solche finanziellen Transfers ebenfalls an Bedeutung gewinnen. So unterstützten etwa in Deutschland 2014 schon über 28 Prozent der Grosseltern ihre Enkel finanziell – doppelt so viel als noch 1996.1

Bereits mehr als die Hälfte der Grosseltern übernimmt regelmässig Betreuungsaufgaben. Besonders viele sind es in Nordeuropa und Frankreich.

Boomendes Enkelbusiness

Noch grösser ist ihr indirekter finanzieller Beitrag, denn mehr als die Hälfte der Grosseltern in Europa übernimmt regelmässig die Betreuung der Kinder von arbeitstätigen Eltern, wie eine aktuelle Umfrage2 zeigt. Besonders viele sind es in Nordeuropa und Frankreich (siehe Grafik). Dafür ist die Intensität der Betreuung in Südeuropa viel höher. Betreuen Grosseltern ihre Enkel in Nord- und Mitteleuropa zwischen 240 und 360 Stunden im Jahr, sind es in Italien 730 Stunden und in Griechenland gar 960 Stunden.

Wie wertvoll die vielen Arbeitsstunden im «Enkelbusiness» für die Volkswirtschaft sind, zeigt eine Berechnung im «Generationenbericht Schweiz»3. Demnach beträgt die Wirtschaftsleistung durch die Grosselternarbeit rund 2 Milliarden Franken pro Jahr. 80 Prozent davon werden durch die Grossmütter geleistet.

Unterschätzte Rolle der Grosseltern

Neben diesem materiellen Beitrag werden auch soziale Faktoren wie die «immaterielle» Weitergabe von Familientraditionen und -werten immer wichtiger. Insbesondere der Einfluss von Grosseltern auf den Bildungserfolg der Enkel ist jüngst zum Gegenstand der Generationenforschung geworden.

Das Munich Centre for the Economics of Ageing4 hat mit den Daten des Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe (SHARE) die Bildungsweitergabe in einem Dreigenerationenkontext im internationalen Vergleich untersucht. Hier die wichtigsten Erkenntnisse:

  • Die Rolle der Grosseltern wurde bisher unterschätzt. Zwar war bekannt, dass der Bildungserfolg der Kinder in hohem Masse von den materiellen und kulturellen Ressourcen der Eltern abhängt. Die Studie zeigt jetzt, dass die Grosseltern eine erhebliche eigenständige Wirkung haben.
  • Der Einfluss der Grosseltern auf den Bildungserfolg wird dann besonders relevant, wenn die Eltern finanziell schlechter dastehen als die Grosseltern oder schlechter gebildet sind als diese.
  • Der Grosselterneffekt für die Bildungskarriere der Enkel variiert in Europa stark. Je tiefer die staatlichen Bildungsausgaben, desto grösser der Effekt. Dementsprechend ausgeprägt ist er in Südeuropa, während er in Skandinavien vergleichsweise gering ist.
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Je tiefer die staatlichen Bildungsausgaben, desto grösser ist die Bedeutung der Grosseltern für den Bildungserfolg der Enkel.

Das Autorenteam Nicole Tieben und Christian Deindl kommt deshalb zum Schluss: «Die Grosseltern sind eine «familiäre Rückversicherung» für den Bildungserfolg von Kindern. Ihre materiellen und kulturellen Ressourcen kommen besonders dann zum Tragen, wenn Eltern und Staat diese Ressourcen nicht zur Verfügung stellen. Und sie tragen dazu bei, den Bildungsstatus einer Familie über mehrere Generationen zu erhalten.» Umgekehrt zeige diese Studie aber eben auch, so die Soziologen, dass staatliche Bildungsinvestitionen den Schülern aus bildungsfernen Schichten durchaus nutzen können: «Sie können einen Ressourcenmangel der Herkunftsfamilie kompensieren und die Chancengleichheit für eine erfolgreiche Schulkarriere erhöhen.»

 

Grosseltern sind also weit mehr als wichtige Enkelbetreuer und Geldgeber. Sie sind das Gedächtnis der Familien. Ihre Bedeutung kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Ohne die Älteren sähe die Gesellschaft alt aus.

 

1«Zeit gegen Geld? Der Austausch von Unterstützung zwischen den Generationen». Daniela Klaus, Katharina Mahne. (2017): www.ssoar.info/ssoar/handle/document/48894

2Ageing and Family Solidarity in Europe Patterns and Driving Factors of Intergenerational Support. Marco Albertini (2016) www.researchgate.net/publication/303389367_Ageing_and_Family_Solidarity_in_Europe_Patterns_and_Driving_Factors_of_Intergenerational_Support

3«Generationenbericht Schweiz» Perrig-Chiello/Höpflinger/Suter (Hrsg.), 2008: http://www.nfp52.ch/d_kommunikation_publikationen.cfm

4 «Resources of grandparents: educational outcomes across three generations in Europe and Israel». Christian Deindl und Nicole Tieben (2016): www.mea.mpisoc.mpg.de/uploads/user_mea_discussionpapers/1697_01-2016.pdf

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