EU-Bürger können sich frei im Schengenraum bewegen. Die Rente bei einem Umzug in ein anderes Land mitzunehmen, ist jedoch eine fast unlösbare Aufgabe. Jetzt gibt es vielleicht bald Abhilfe.

EU-Politiker diskutieren aktuell über die Schaffung eines einheitlichen Privatvorsorgeprodukts. Dieses soll zeitgemässer und flexibler sein, den Menschen mehr Kontrolle über ihre finanzielle Zukunft bieten und Hürden für langfristiges Sparen abbauen. Im Rahmen einer öffentlichen Konsultation zu einem möglichen europäischen Rahmen für die private Vorsorge, sammelt die EU bis Ende Oktober 2016 Stellungnahmen von Privatpersonen und Interessengruppen. Grund genug, sich mit dem Vorsitzenden der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA), Gabriel Bernardino, zu unterhalten.

In einigen EU-Ländern gibt es heute gar keine oder keine ausreichende berufliche Vorsorge und die staatliche Vorsorge bietet kein angemessenes Alterseinkommen.

Was bringt ein einheitliches, europäisches Privatvorsorgeprodukt den EU-Bürgern?
Viele Menschen haben keine Möglichkeit, sinnvoll für das Alter vorzusorgen, weil es keinen Markt für ergänzende Vorsorgeprodukte gibt, weder für die berufliche noch für die private Vorsorge.

Privatvorsorgeprodukte könnten die grosse Vorsorgelücke schliessen, die in Europa besteht. Ein standardisiertes gesamteuropäisches Privatvorsorgeprodukt (Pan-European Personal Pension Product – PEPP) wäre zudem eine sinnvolle Möglichkeit, eine angemessene Altersvorsorge sicherzustellen. Dies wiederum verbessert in der Kapitalmarktunion die Chancen für langfristige Investitionen.

Wie sollte ein europäisches Privatvorsorgeprodukt aussehen?
Das PEPP sollte ein sicheres, transparentes und kostengünstiges Sparprodukt für die private Vorsorge sein.

Die Konsumenten müssen zudem die Möglichkeit haben, die Produkte zu vergleichen. Das setzt voraus, dass die Informationen übersichtlich und einheitlich abrufbar sind. Auch die Anlageoptionen müssen standardisiert sein und vor allem begrenzt sein. Am besten wird eine einzelne Anlageoption als Standard definiert.

Ich bin überzeugt, dass ein standardisiertes, gesamteuropäisches Privatvorsorgeprodukt den Verbraucherschutz, die Transparenz und die Vorsorgeersparnisse steigern kann, sodass Europas Bürger letztlich besser abgesichert sind.

Was sind die grössten Herausforderungen in Bezug auf die Einführung von PEPP?
Die grösste Herausforderung ist die Heterogenität der europäischen Vorsorgelandschaft. Die Rollen der staatlichen, beruflichen und privaten Vorsorgevehikel in den 28 EU-Mitgliedstaaten unterscheiden sich stark. Die Vorsorge ist meist in das innerstaatliche Sozial- und Arbeitsrecht integriert und wird auch steuerlich unterschiedlich behandelt. In einigen Ländern spielt die berufliche Vorsorge eine grosse Rolle, andere setzen vor allem auf die private Vorsorge. In vielen Ländern gibt es neben der umlagefinanzierten Sozialversicherung noch gar kein starkes System für die Zusatzvorsorge.

Die Schaffung eines effektiven PEPP erfordert einen konstruktiven Ansatz der Mitgliedstaaten und der verschiedenen Sektoren, die eine private Vorsorge anbieten. Wir müssen eng mit allen Interessengruppen zusammenarbeiten, um das richtige Gleichgewicht sicherzustellen.

Inwieweit könnte das PEPP den betrieblichen Systemen, die von einem Arbeitgeberbeitrag profitieren, Ersparnisse entziehen?
Die private Vorsorge darf nicht mit der beruflichen und der staatlichen Vorsorge konkurrieren, sondern muss sie ergänzen. In einigen EU-Ländern gibt es heute gar keine oder keine ausreichende berufliche Vorsorge und die staatliche Vorsorge bietet kein angemessenes Alterseinkommen. Insgesamt besteht noch immer ein Bedarf an ergänzenden Vorsorgeersparnissen.

Warum sollten die Bürger Europas ihre Ersparnisse einem PEPP anvertrauen?
Das Versprechen von PEPP ist, künftig nachhaltige Renten und angemessene Lohnersatzquoten zu bieten. Dieses Versprechen kann die EU nur erfüllen, wenn die Ersparnisse sicher, kostengünstig, transparent und flexibel genug sind, um dem wechselnden Wirtschafts- und Arbeitsmarktumfeld gerecht zu werden. Zudem wird PEPP den EU-Bürgern ermöglichen ihre Altersvorsorge bequem in ein anderes Mitgliedstaat mitzunehmen.

Ich bin überzeugt, dass ein standardisiertes, gesamteuropäisches Privatvorsorgeprodukt den Verbraucherschutz, die Transparenz und die Vorsorgeersparnisse steigern kann, sodass Europas Bürger letztlich besser abgesichert sind.

Was erwartet die EIOPA von der öffentlichen Konsultation zum PEPP?
Die EIOPA hat im Vorfeld zusammen mit möglichen Anbietern und Interessengruppen das Potenzial von PEPP untersucht. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass aufgrund des extrem uneinheitlichen Marktes für Privatvorsorgeprodukte im Europäischen Wirtschaftsraum ein zweites reguliertes Produkt einen wichtigen Beitrag zur Effizienz eines EU-Binnenmarkts für die private Vorsorge leisten kann. Zentral ist, dass das Produkt standardisiert, aber dennoch flexibel ist.

Wir gehen davon aus, dass die Ergebnisse der zurzeit laufenden öffentlichen Konsultation der Europäischen Kommission dieses Fazit erhärten werden.

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