Die Höhe der Rente ist ein entscheidender Faktor für die wirtschaftliche Unabhängigkeit und die Selbstbestimmung im Alter. Frauen in ganz Europa erhalten allerdings immer noch viel weniger Rente als Männer und fürchten sich vor Altersarmut. Die gute Nachricht: Frauen haben es auch in der eigenen Hand, etwas dagegen zu tun.

Die Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen ist ein bekanntes Problem. Viel weniger bekannt sind dagegen die Rentenunterschiede zwischen Männern und Frauen. In der Europäischen Union wurde der sogenannte „Gender Pension Gap“ 2013 zum ersten Mal systematisch untersucht, in der Schweiz erst letztes Jahr. So erstaunt es wenig, dass in der breiten Öffentlichkeit das Bewusstsein dafür fehlt, wie gross die geschlechtsspezifische Rentenlücke ist.

Vor kurzem stellten wir in einem Quiz auf unserer Website die Frage, wie viel tiefer die Altersrenten für Frauen im Vergleich zu jenen der Männer ausfallen. Knapp die Hälfte der Teilnehmenden ging davon aus, dass Frauen – ähnlich wie bei den Löhnen – um die zwanzig Prozent weniger Renten erhalten.

Doppelt so grosse Kluft

Die Realität ist viel düsterer, denn bei der Altersvorsorge ist die Kluft zwischen Männern und Frauen sogar doppelt so gross wie bei den Löhnen: Sie beträgt im europäischen Durchschnitt 39 Prozent. Das wusste nur jeder zehnte Quiz-Teilnehmende.

Ein Grossteil der Frauen ist nach der Pensionierung nur schlecht abgesichert und finanziell von ihren Partnern abhängig.

Diese Unkenntnis ist gravierend, denn die Rentenlücke beginnt sich früh im Berufsleben zu öffnen. Die Höhe der Rente ist gewissermassen ein Spiegel der Erwerbsbiografie einer Person.

Wieso Frauen bei der Rente hinterherhinken

Die beiden entscheidenden Faktoren für die geschlechtsspezifische Rentenlücke sind Dauer und Umfang der Erwerbstätigkeit: Frauen verdienen weniger, sind häufiger in schlechter bezahlten Berufen sowie seltener in Führungspositionen tätig und arbeiten auch häufiger Teilzeit als Männer. Kommt hinzu, dass Frauen wesentlich häufiger als Männer ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen, um sich um Kinder oder Verwandte zu kümmern.

In den heutigen Renten spiegeln sich also zum einen die Diskrepanzen der Vergangenheit, vor allem die traditionelle Rollenteilung und die damit eng verbundene Stellung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Zum anderen sind sie zugleich quasi eine Vorwarnung auf künftige Probleme: Ein Grossteil der Frauen ist nach der Pensionierung nur schlecht abgesichert und finanziell von ihren Partnern abhängig. 

Soll es der Partner richten?

Müssten Frauen also anders vorsorgen, als sie es heute tun? «Die Höhe der Rente wird generell auf Paarebene berechnet», sagt Eric Le Baron, CEO von Swiss Life Assurance et Patrimoine in Frankreich. «Frauen sollten sich, da sie in der Regel länger leben, die Höhe ihrer Rente für den Fall simulieren lassen, dass ihr Partner stirbt. So können sie früh genug mit Sparen anfangen und den Einkommensverlust wettmachen.»

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Frauen sollten sich, da sie in der Regel länger leben, die Höhe ihrer Rente für den Fall simulieren lassen, dass ihr Partner stirbt.»

Die Realität aber sieht anders aus: Eine repräsentative Umfrage von Swiss Life Deutschland, bei der 2062 Personen teilnahmen, zeigt dies klar. So fürchtet sich mehr als jede zweite Frau davor, im Alter in Armut leben zu müssen. Vier von zehn Frauen geben an, ohne ihren Partner bei ihrem Lebensstandard deutliche Abstriche machen zu müssen.

Es braucht mehr Eigeninitiative und Finanzwissen – aber auch einen Mentalitätswandel

«Frauen müssten auf jeden Fall deutlich mehr vorsorgen, als sie es heute tun», sagt Matthias Wald, Leiter Vertrieb und Mitglied der Geschäftsleitung von Swiss Life Deutschland. Mehr als jede dritte Befragte gab in der Umfrage von Swiss Life Deutschland denn auch an, sich bisher zu wenig um die eigene Altersvorsorge gekümmert zu haben.

„Frauen zahlen im Schnitt weniger Rente ein – viele pausieren zugunsten ihrer Kinder oder für die Pflege von Angehörigen für mehrere Jahre“, sagt Wald. Er fordert: „Wir brauchen ein stärkeres Bewusstsein für dieses Thema.“

Finanzen werden in unserem Bildungswesen allerdings stiefmütterlich behandelt. «Es wäre wichtig, junge Menschen mit dem nötigen Wissen auszustatten, damit sie rechtzeitig die richtigen Weichen in Sachen privater Finanzplanung stellen können.»

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Das Thema Finanzen wird in unserem Bildungswesen stiefmütterlich behandelt. Es wäre wichtig, junge Menschen für die private Finanzplanung mit dem nötigen Wissen auszustatten.

Um den «Gender Pension Gap» zu verkleinern, sind indes auch die Arbeitgeber in der Pflicht. «Als Arbeitgeber sollte man mit flexiblen Arbeitszeitmodellen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern, Kinderbetreuungsangebote ausbauen und Frauen berufliche Aufstiegschancen bieten», so Wald.

Für eine wirklich nachhaltige Lösung braucht es neben mehr Eigenverantwortung seitens der Frauen und aktiveren Unternehmen auch einen Mentalitätswandel in der Gesellschaft. «Neben einer besseren Aufteilung der Familienpflichten und familiengerechten Arbeitsbedingungen bedingt dies auch, dass die Gesellschaft Geschlechterstereotypen weiter abbaut und eine gleichberechtigte Rollenverteilung akzeptiert», sagt Colette Nova, Vizedirektorin des Schweizer Bundesamtes für Sozialversicherungen.

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