Lea von Bidder zählt laut dem US-Wirtschaftsmagazin «Forbes» zu den wichtigsten Jungunternehmerinnen unserer Zeit. Im Interview plädiert Sie für mehr Frauen in der Digitalwirtschaft und erklärt, wie sie mit ihrer Firma Ava die Selbstbestimmung von Frauen stärken will.

Sie haben bereits mit 22 Ihre erste Firma gegründet und mit 24 die nächste. Was braucht es als junge Frau, um dies zu realisieren? 
Ehrgeiz ist sicherlich wichtig. Und eine grosse Portion Optimismus und Selbstbewusstsein. Das Start-up-Umfeld ist nicht die einfachste Welt und sehr schnelllebig. Aber ich glaube, wer Lust hat, sein eigenes Ding durchzuziehen, und genug motiviert ist, schafft es auch – und lernt auch mit Fehlern umzugehen. So vieles geht schief. Man muss einfach fest an seine Idee glauben. Dann fällt das Aufstehen nach dem Umfallen auch einfacher.

2017 wurden Sie vom US-Wirtschaftsmagazin «Forbes» auf die Liste der wichtigsten 30 Jungunternehmerinnen und -unternehmer unter 30 Jahren gesetzt. Was sind die wichtigsten Eigenschaften, um sich in der männerdominierten Hightech-Welt des Silicon Valley durchzusetzen?
Es braucht einen guten Mix aus Durchsetzungsvermögen und Ambition. 

Hat sich denn in der Digitalwirtschaft in Sachen Frauenanteil nichts geändert?
Die beunruhigende Antwort lautet: leider nein. Nehmen wir die Schweiz als Beispiel. Von den Top 50 des Start-up-Rankings des „Instituts für Jungunternehmen“ hatten 2016 nur 20 Prozent eine Gründerin und nur 8 Prozent einen weiblichen CEO. Damit hatte die Schweizer Start-up-Szene immerhin den SMI-Firmen ein bisschen etwas voraus. Von diesen hatten 2016 genau null einen weiblichen CEO. Aber von einem wirklichen Fortschritt kann man nicht sprechen.

Ein Gender-Gap bei Gründern produziert einen Gender-Gap bei Investoren.

Warum tun sich die digitalen Firmen so schwer damit, alte Geschlechterrollen zu disruptieren?
Start-ups haben wenig Ressourcen, wenig Zeit und tausend Dinge, die gleichzeitig erledigt werden müssen. Das ist der Grund, warum sie meistens in ihrem Umfeld Leute rekrutieren. Es ist ein Fakt, dass Männer meistens männlich dominierte Netzwerke haben – das macht die Rekrutierung von Männern leichter. Ein Gender-Gap im Gründungsteam setzt sich also fort in einem Gender-Gap im ganzen Team. Diese Start-up-Angestellten, meistens Männer, gründen oftmals eigene Start­-ups und vertiefen damit den Gender-Gap, es entsteht ein Teufelskreis.

Inwiefern?
Erfolgreiche Gründer sind spätere Investoren. Ein Gender-Gap bei Gründern produziert einen Gender-Gap bei Investoren. Und nachdem Investoren eher Firmen fördern, deren Problemlösung für sie schnell nachvollziehbar ist, werden Firmen, die Ideen nur für Frauen anbieten, von vornherein einen Nachteil haben.

Wie lässt sich der Frauenanteil in der Gründerszene erhöhen?
Gender-Gaps sind immer komplex und es gibt keine schnelle Lösung für das Problem, das kennen wir von den Löhnen oder Renten. Wichtig ist: Wir brauchen bessere Daten und mehr Aufmerksamkeit für dieses Thema. Start-up-Wettbewerbe sollten Gender-Daten in ihre Reports aufnehmen. Investoren sollten einen Blick in ihr Portfolio werfen und analysieren, wie viele weibliche Gründerinnen sie in diesem Jahr unterstützt ­haben, und sich Ziele setzen, wie sie diese Daten verbessern könnten. Und Gründer sollten den Gender-Gap in ihren Teams analysieren und entsprechende Massnahmen treffen. Ich bin überzeugt: Wer das nicht tut, muss in ein paar Jahren umständlich seine Firmenkultur aufräumen. 

Sie interessierten sich schon in der Schule für den Frauenanteil in der Wirtschaft und schrieben Ihre Matura-Arbeit über die Quotenregelung in Verwaltungsräten. Wie ist das heute: Sind Sie für Quoten? 
Ich bin nach wie vor für Quoten in Verwaltungsräten. Nicht, weil ich das so eine tolle Idee finde. Aber weil sich sonst leider gar nichts bewegt.

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Ich bin für Quoten in Verwaltungsräten. Nicht, weil ich das so eine tolle Idee finde. Aber weil sich sonst leider gar nichts bewegt.

Um die Frauen dreht sich auch das Produkt Ihrer Firma. Ava hat ein Armband entwickelt, mit denen Frauen ihre fruchtbaren Tage erkennen können und so erfahren, an welchen Tagen sie schwanger werden können. Funktioniert es?
Auf jeden Fall. Viele Frauen werden damit schwanger. Wir haben vor kurzem das 1000. Ava-Baby gefeiert.

Das Armband würde sich eigentlich auch zur Verhütung eignen, als natürliche Alternative zur Pille? 
Ja, das wäre grossartig und daran arbeiten wir. Ich habe das Gefühl, dass viele Frauen unserer Generation weg von der Pille wollen. Momentan hat man als Frau einfach keine Auswahlmöglichkeiten. Alles, was nicht hormonell ist, ist risikoreicher und komplizierter. Wir wollen mit Ava den Frauen eine weitere Option geben und die Selbstbestimmung von Frauen stärken. Aber so weit sind wir noch nicht. 

Was treibt Sie an?
Ich habe einen Drang, wirklich spannende Sachen machen zu wollen.  

Sehen Sie sich als Vorbild für die weiblichen Millenials?
Ich hoffe natürlich, dass ich das zu einem gewissen Grad sein kann. Ich habe auch in der Vergangenheit immer wieder versucht, auf die Probleme von weiblichen Gründerinnen hinzuweisen. Solange ich so einen Beitrag zur besseren Entwicklung leisten kann, ist das natürlich super. Es ist wichtig, dass die Zahl von Frauen in Führungspositionen ansteigt. Je mehr, desto besser. So kann nämlich auch jüngeren Generationen vermittelt werden: Es geht, du musst nur wirklich wollen!

Lea von Bidder

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Aushängeschild der Start-up-Szene

Lea von Bidder (27) stammt aus Zürich und studierte an der Universität St. Gallen, in Lyon, China, Montreal und den USA. Bereits mit 22 gründete sie ihr erstes Start-up. Dafür zog sie ins indische Bangalore, um eine Schokoladenfirma aufzubauen. 2014 folgte zusammen mit drei Jungunternehmern die Gründung der Firma Ava, die 2016 ein Hormon-Tracking-Armband für Frauen mit Kinderwunsch lancierte. Lea von Bidder ist fürs Marketing verantwortlich und leitet das Office im Silicon Valley. 2017 wurde sie vom US-Wirtschaftsmagazin «Forbes» auf die Liste der wichtigsten 30 Jungunternehmer unter 30 Jahren gesetzt.

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